Lernen auf die harte Tour
Xenia Hofmeier besuchte in Basel das Gymnasium, bevor sie an der ETH Zürich Informatik studierte. Sie ist nun im zweiten Jahr ihres Doktorats in der Gruppe Informationssicherheit von Prof. David Basin und lernt dort, ihr Arbeitspensum und die Zeit zwischen Lehre und Forschung sowie zwischen kurz- und langfristigen Aufgaben zu managen.
Wie sieht der Beginn einer akademischen Karriere in der Informatik aus?
In drei Interviews berichten eine Doktorandin, ein frisch diplomierter Doktor der Wissenschaften und ein junger Postdoktorand aus dem Departement über ihre Motivation und ihre Erfahrungen.
– Dieser Artikel ist Teil der Reihe «Nachwuchsforschende in der Informatik» –
1/3 Xenia Hofmeier – Lernen auf die harte Tour
2/3 David Dao – Sich selbst besser kennenlernen
3/3 Chengyu Zang – Dem eigenen Herzen folgen
Was hat dich dazu motiviert, Informatik zu studieren?
Ich bin durch Zufall darauf gestossen. Im Gymnasium wollte ich zunächst meine Chemiekenntnisse vertiefen, merkte aber schnell, dass ich die Physik bevorzugte. Da es für Physik in diesem Jahr zu wenig Leute gab, landete ich in meinem zweiten Ergänzungsfach: Informatik. Zunächst war ich eingeschüchtert. Die meisten Mitschülerinnen und Mitschüler hatten schon etwas Programmiererfahrung und wir waren nur zwei Frauen. Aber wir hatten eine gute Lehrkraft. Ich habe fleissig gelernt und es hat mir sehr viel Spass gemacht. Ich hatte wirklich gute Noten und merkte, dass ich es genauso gut konnte wie diejenigen, die schon mehr programmiert hatten.
In meinem vorletzten Jahr am Gymnasium habe ich am «Schnupperstudium» des Departements Informatik teilgenommen und mich schliesslich entschieden, für meinen Bachelor an die ETH Zürich zu kommen.
Wann hast du dich entschieden, einen Master anzuhängen?
Für mich war der Bachelor immer eine Vorbereitung darauf. Man erlernt zuerst die Grundlagen, die wirklich interessanten Kurse finden jedoch im Master-Studiengang statt.
Wie hast du die Gruppe ausgewählt, in der du deine Masterarbeit schreiben wolltest?
Ich ging in die gleiche Gruppe wie für meine Bachelorarbeit. Damals hatte ich mit mehreren Leuten gesprochen, die mir verschiedene Projekte vorgestellt hatten. Das von mir gewählte Projekt hat mich angesprochen, weil es klar und gut strukturiert war, so wie ich es mir für eine Bachelorarbeit gewünscht hatte – im Gegensatz zu anderen, offeneren Projekten. Ich hatte auch ein gutes Gefühl bei den beiden Betreuenden und es stellte sich als eine sehr gute Wahl heraus. Am Ende meiner Bachelorarbeit war ich mit dem Geleisteten sehr zufrieden und hatte das Gefühl, im Masterstudiengang und vielleicht noch darüber hinaus mit den gleichen Tools weiterarbeiten zu können.
Würdest du sagen, dass die Wahl des Themas oder die der betreuenden Person wichtiger ist?
Ich denke, beides ist sehr wichtig, die Betreuung jedoch ganz besonders. Natürlich muss man das Thema mögen, an dem man mehrere Monate oder Jahre arbeiten wird. Die Wahl der Betreuungsform ist entscheidend und man muss sicherstellen, dass sie zur eigenen Arbeitsweise passt. In unserer Gruppe betreuen wir die Studierenden sehr eng. Ich selbst habe das als Studentin geschätzt und sorge nun dafür, dass ich das auch für die Studierenden tue, die ich betreue. Wir treffen uns jede Woche, um Feedback auszutauschen. Auch wenn es manchmal nicht viel zu besprechen gibt, sorgen wir zumindest dafür, dass die Studierenden auf Kurs sind und nicht den Fokus verlieren.
«Die Wahl der Betreuungsform ist entscheidend und man muss sicherstellen, dass sie zur eigenen Arbeitsweise passt.»Xenia Hofmeier, Doktorandin in der Information Security Group von Professor David Basin
Wann hast du dich für ein Doktorat entschieden?
Ich habe schon während meines Bachelor-Studiums darüber nachgedacht und später gemerkt, dass mir auch die Lehre Spass macht. Vor meiner Masterarbeit hatte ich auch schon ein Semesterpraktikum als Softwareingenieurin absolviert, um zu sehen, ob ich lieber in der Industrie arbeiten würde. Ich sagte mir, wenn mir meine Masterarbeit nicht gefällt, würde ich auch nicht promovieren. Es hat mir jedoch sehr viel Spass gemacht und ich beschloss, es anzugehen.
Während meines Master-Studiums habe ich mich auch mit meinen Betreuungspersonen und Kolleginnen und Kollegen darüber unterhalten. Ich fand es hilfreich, mit einer ehemaligen Doktorandin aus meiner Gruppe zu sprechen, den ich aus Kursen kannte, die ich in meinem Bachelor belegt hatte, und mit einem anderen Studierenden, der ein Jahr vor mir angefangen hatte. Sie erzählten mir viel über das Doktorat und die Dinge, die auf mich zukommen würden.
War es für dich einfacher, die Stelle zu bekommen, weil du bereits dein Masterstudium an der ETH absolviert hattest?
Auf jeden Fall. Ich glaube, ich war in einer guten Ausgangslage, da ich die Gruppe und das Tool kannte, das sie benutzten. Generell ist es auch für die Professorin oder den Professor einfacher, weil er oder sie dich und deine Fähigkeiten kennt. Ich glaube, die Master- und Bachelorarbeiten waren viel entscheidender als meine Noten, um die Stelle zu bekommen. Ich würde die Studierenden ermutigen, durch Semester- oder Kursprojekte die verschiedenen Forschungsgruppen so gut wie möglich kennenzulernen. Auch wenn man nicht die besten Noten hat, findet man auf diese Weise das beste Labor für sich selbst.
Wie kam es zur Wahl des Forschungsthemas für dein Doktorat?
Das übergeordnete Thema war für mich immer klar. Ich hatte zuvor mit «Tamarin Prover» gearbeitet, einem Verifikationstool für Sicherheitsprotokolle, und mir war klar, dass ich weiter damit arbeiten wollte. Es gab noch viele unerschlossene Möglichkeiten und offene Fragen. Irgendwann schlug mir mein Betreuer ein anderes Thema vor, bei dem ich unschlüssig war. Kurz darauf hatte er jedoch eine konkrete Idee zu «Tamarin», die ich sehr gerne übernahm. Ich arbeite nun an Folgeprojekten des Originalprojekts.
Entsprechen deine Erfahrungen mit dem Doktorat nun deinen Erwartungen?
Ich dachte, dass es mit einer längeren Masterarbeit vergleichbar sein würde, wo ich nebenher noch unterrichte und Kurse belege. Das war nicht ganz falsch. Aber auch nicht ganz richtig: Der grösste Unterschied ist die grössere Eigenverantwortung für meine Arbeit und meine Zeit.
Ich muss die Planung kleinerer, dringender Aufgaben mit den längerfristigen Terminen, wie z. B. der Einreichung eines Papers oder der Fertigstellung meiner Doktorarbeit, koordinieren. Am Anfang hatte ich damit zu kämpfen, weil ich unmittelbare Aufgaben sofort erledigen wollte. Ich tat zu Beginn also nur das: Übungen oder Kurse vorbereiten und den Studierenden Feedback geben. Und man hat immer mehr Aufgaben zu erledigen als Zeit. Ich sollte jedoch auch Forschung betreiben. Dafür habe ich keine feste Frist, und mit einer scheinbar weit entfernten Deadline von sechs Jahren ist die Arbeit schwieriger zu planen. Ich lerne nun, meine Aufgaben besser zu einzuteilen und zu priorisieren, und muss mich oft daran erinnern, nicht zu perfektionistisch zu sein.
«Ich muss die Planung kleinerer, dringender Aufgaben mit den längerfristigen Terminen, wie z. B. der Einreichung eines Papers oder der Fertigstellung meiner Doktorarbeit, koordinieren. Am Anfang hatte ich damit zu kämpfen, weil ich unmittelbare Aufgaben sofort erledigen wollte.»Xenia Hofmeier, Doktorandin in der Information Security Group von Professor David Basin
Wurdest du dabei unterstützt, dir diese Dinge anzueignen?
Ich glaube, ich musste viel «auf die harte Tour» lernen. Man erhält Unterstützung, aber man muss explizit danach fragen. Das steht in starkem Kontrast zu den Bachelor- und Masterarbeiten. Wir besprechen unsere Fortschritte in der Gruppe und die Perspektive eines anderen ist immer hilfreich, wenn man selbst das Gefühl hat, festzustecken. Es kommt jedoch auch oft vor, dass die Leute mit wichtigen Deadlines beschäftigt sind und man wissen muss, wen man wann fragen kann.
Wie managst du die Fristen zur Einreichung von Papers?
Derzeit arbeite ich an meiner ersten Einreichung, einer systematischen Literaturrecherche. Wir nennen es «Systematisierung von Knowledge Papers». Ich begann Anfang dieses Jahres und wusste nicht, wann ich fertig werden oder wie lange es dauern würde. Am Anfang habe ich etwas die Orientierung verloren, aber nach mehreren Gesprächen mit meinen Betreuungspersonen haben wir ein besseres Vorgehen festgelegt und eine Deadline für diesen Sommer gesetzt. Meiner Meinung nach hilft es, die Dinge anzustossen, auch wenn das Schreiben für viele Studierenden am Anfang schwierig ist.
Wie sieht eine typische Woche aus?
Ich mache einen Plan und versuche, ihn einzuhalten. Meistens bin ich für ein bis zwei Tage mit lehrbezogenen Aufgaben beschäftigt, dann plane ich meine Forschungsarbeit – oder das Schreiben – und diverse Meetings zu kleineren Projekten mit anderen Personen ein. Wenn ich nicht in einem Meeting bin, sitze ich am Computer. Ich ziehe es vor, ins Büro zu kommen, weil ich mich dort gut auf die Arbeit konzentrieren kann, während ich mich zu Hause ablenken lasse. Ich schätze es jedoch, dass wir uns so organisieren können, wie wir es für richtig halten, solange wir unsere Arbeit erledigen.
Was machst du in deiner Freizeit?
Ich fahre und reise sehr gern mit dem Velo: ein- oder zweitägige Ausflüge an den Wochenenden und längere Ausflüge in den Ferien. Auch bei den Velofahrten des ASVZ bin ich seit Kurzem dabei. Zudem kümmere mich gerne um meine Balkonpflanzen.
Hast du dir bereits Gedanken gemacht, was du nach dem Doktorat machen wirst?
Noch nicht. Ich geniesse, was ich gerade tue, und versuche, das Beste daraus zu machen. In der Informatik gibt es viele Möglichkeiten, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft. Auch die Lehre ist für mich eine Option. Im Moment habe ich das Gefühl, dass ich noch ein paar Jahre Zeit habe, darüber nachzudenken.
Was würdest du Masterstudierenden raten, die über ein Doktorat nachdenken?
Lasst euch nicht entmutigen, wenn ihr die Chance auf ein Doktorat habt! Denkt nicht: «Kann ich das tun oder nicht?» Und vergleicht euch nicht mit anderen Studierenden und deren Intelligenz oder Arbeitsweise. Wenn euch jemand eine Stelle anbietet, dann werdet ihr euch zurechtfinden. Ihr solltet vielmehr darüber nachdenken, was ihr tun möchtet, ob euch die Arbeit gefällt und ob ihr tiefer eintauchen möchtet. Die Masterarbeit ist eine gute Gelegenheit, das herauszufinden. Semesterprojekte und Praktika sind ebenfalls eine gute Idee, um die geeignete Stelle zu finden, wenn man sich am Anfang nicht sicher ist, in welche Richtung man gehen soll.
Sind Betriebspraktika in der Informatik üblich?
Praktika zwischen Bachelor- und Masterstudium sind üblich. Während des Studiums kann man damit ganz gut etwas Geld verdienen. Das Wichtigste ist aber, dass sie den Studierenden dabei helfen, relevante Informatikerfahrung zu sammeln. Während des Doktorats hängt es sehr viel mehr von der Gruppe ab. Bei uns kommt es nicht sehr häufig vor, aber bei anderen Gruppen schon. In einigen Bereichen ist es wichtig, eine Vorstellung davon zu haben, was in der Wirtschaft geschieht, um Anwendungen «im echten Leben» zu sehen.