«Den Erfolg der Studierenden zu erleben, ist wirklich motivierend»
In den vergangenen zwei Jahren war Professor Zhendong Su der Studiendirektor des Departements Informatik und damit ein Teil des Departementsausschusses. In diesem Interview spricht Professor Su über die Erfolge und Herausforderungen während seiner zweijährigen Amtszeit. Er erzählt zudem, was für ihn gute Lehre bedeutet, und wir erfahren, welche vier Träume er vor seiner Emeritierung noch verwirklichen möchte.

Professor Su, was waren Ihre Hauptverantwortlichkeiten als Studiendirektor?
Wir haben rund 3’000 Bachelor- und Masterstudierende. Zusätzlich gibt es Doktorierende, Postdocs und diverse Personen, die eine Weiterbildung absolvieren. Meine Aufgabe war es, alles zu überblicken und alle Beteiligten zu unterstützen, um einen reibungslosen Ablauf der Lehre und Ausbildung im Departement sicherzustellen.
In meiner Funktion leitete und unterstützte ich die Studienverwaltung, das Senior Lecturer Team und das Softwareentwicklerteam. Ausserdem diente ich als Hauptansprechpartner für studienbezogene Angelegenheiten für unsere Departementsmitglieder, andere Departemente und die Schulleitung.
Was mochten Sie an dieser Rolle am meisten?
Ich habe grosse Freude an verschiedenen Aspekten dieser Arbeit gefunden, aber besonders gefiel es mir, wertvolle Verbindungen zu unterschiedlichen Personen am Departement aufzubauen und sie zu unterstützen. Ich habe enge Beziehungen zu den mir unterstellten Teams und weiterem Staff, wie dem Kommunikationsteam und dem Departementsstab etabliert. Darüber hinaus habe ich Kontakte zu den Studierenden durch den VIS und VMI geknüpft und die Fakultätsmitglieder auf einer anderen Ebene kennengelernt.
Zudem war die Anerkennung der Leistungen unserer Lehrassistierenden und Dozierenden durch verschiedene Lehrpreise eine besonders erfüllende Erfahrung. Ich hatte auch die Möglichkeit, mein Netzwerk zu erweitern, indem ich mich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Departementen austauschen und das D-INFK in universitätsweiten Veranstaltungen und Diskussionen über die Lehre vertreten konnte.
«Während aller Herausforderungen konnte ich immer auf die Unterstützung unseres gesamten Teams zählen. Das war sehr hilfreich für mich.»Prof. Zhendong Su
Gab es anfänglich Herausforderungen auf die Sie stiessen?
Als ich im Januar 2022 die Position als Studiendirektor übernahm, musste ich mich schnell mit den Feinheiten des schweizerischen Universitätssystems vertraut machen. Vor fünf Jahren bin ich aus den Vereinigten Staaten in die Schweiz umgezogen und kannte bis dahin das US-Bildungssystem am besten. Durch intensive Bemühungen und Unterstützung in den letzten zwei Jahren habe ich ein umfassenderes Verständnis dafür entwickelt, wie das System in der Schweiz funktioniert. Dieser Wissenserwerb hat sich sehr gelohnt und ich betrachte es als einen weiteren Höhepunkt meiner Tätigkeit – auch wenn es anfangs eine Herausforderung war. Darüber hinaus erforderte die Departementsevaluation im Jahr 2022 erhebliche Anstrengungen des gesamten Departements, wobei unser damaliger Departementsvorsteher Timothy Roscoe die Hauptverantwortung übernahm. Der Evaluationsprozess umfasste erheblichen Zeitaufwand im Bereich der Lehre. Während aller Herausforderungen konnte ich immer auf die Unterstützung unseres gesamten Teams zählen. Das war sehr hilfreich für mich.
Anfang Januar 2024 haben Sie nun Ihre Rolle an Professor Dennis Hofheinz übergeben. Welche Tipps gaben Sie ihm mit auf den Weg?
Es ist eine unglaublich erfüllende Aufgabe. Den Erfolg der Studierenden zu erleben ist wirklich motivierend. Es ist eine facettenreiche Rolle, die mit grosser Verantwortung kommt. Als Studiendirektor ist man damit beauftragt, sowohl Studierende als auch Fakultätsmitglieder zu unterstützen. Glücklicherweise wird Dennis mit hervorragenden Teammitgliedern zusammenarbeiten und wenn es den Bedarf gibt von mir und unseren Vorgängern umfassende Hilfestellungen erhalten.
Jedes Mitglied unseres Departements ist darauf bedacht, die Studierenden zu unterstützen, aber manchmal muss man als Studiendirektor Entscheidungen schweren Herzens fällen. Es macht mich traurig, wenn Studierende aus welchen Gründen auch immer Schwierigkeiten haben und deshalb ihr Studium nicht weiterführen oder abschliessen können. Damit müssen wir uns aufgrund unseres Systems auseinandersetzen, in dem jede Schülerin und jeder Schüler mit einer abgeschlossenen Matura bei uns Informatik studieren kann. Generell halte ich das für ein grossartiges System, das allerdings solche schwierigen Aspekte mit sich bringt. Mit der steigenden Studierendenzahl erfüllen einige möglicherweise nicht die erforderlichen Voraussetzungen, um im Programm zu bleiben. Trotz dieser schwierigen Entscheide bleibt das Amt insgesamt eine positive Erfahrung.
Wie stellen Sie sich die Zukunft des Informatikunterrichts auf Universitätsebene vor?
Neben bemerkenswerten Entwicklungen wie dem Online-Unterricht während der
COVID-19-Pandemie und dem Aufkommen von KI-unterstützten Tools, die nicht nur in unserem Departement weitgehend diskutiert werden, wird es in den kommenden Jahren eine bedeutende Veränderung im Bereich der Informatik in der Schweiz geben: Das Fach Informatik wird an Schweizer Gymnasien zum obligatorischen Grundlagenfach. Folglich werden die neuen Studierenden eine grössere Kompetenz in Informatik haben. Das veranlasst uns dazu, unseren Studienplan zu überdenken, um dieser Veränderung gerecht zu werden.
Darüber hinaus freue ich mich über die steigende Anzahl von Studierenden, die jedes Jahr unserem Departement beitreten und so ihre Begeisterung für das Informatikstudium zeigen. Bemerkenswerterweise ist der Anteil weiblicher Studierender in diesem Herbst auf fast zwanzig Prozent gestiegen – ein erheblicher Zuwachs im Vergleich zu den Vorjahren. Wir streben allerdings in Zukunft einen noch höheren Anteil an. Die steigende Studierendenzahl stellt uns jedoch vor eine Herausforderung. Auch wenn die Vorlesungen und Seminare unweigerlich wachsen und immer mehr Studierende während ihrer Bachelor- oder Masterarbeit betreut werden müssen, wollen wir allen Studentinnen und Studenten eine qualitativ hochwertige Ausbildung und genügend Unterstützung bieten.
«The future should involve active learning and personalised education, recognising our diverse learning preferences.»Prof. Zhendong Su
Was bedeutet 'guter Unterricht' für Sie persönlich?
In einer idealen Welt sollte die Lehre personalisiert sein. Derzeit wird der Unterricht unabhängig von der Gruppengrösse oft einheitlich gestaltet. Jeder Student und jede Studentin hat jedoch unterschiedliche Lernstile und Bedürfnisse. Es ist entscheidend, die technologischen Möglichkeiten zu nutzen, um eine personalisierte Bildung zu ermöglichen. Obwohl wir noch einen langen Weg vor uns haben, wäre das ideale Szenario, jedem und jeder Zugang zu individualisiertem und massgeschneidertem Unterricht zu bieten. Mithilfe von Technologien können wir uns diesem Ziel in den nächsten Jahren annähern. Traditionelle Unterrichtsmethoden haben sich seit Jahrzehnten kaum verändert. Normalerweise steht ein Dozierender vor einer Tafel oder verwendet PowerPoint, was zu grösstenteils passivem Lernen führt. Die Zukunft sollte aktives Lernen und personalisierte Bildung umfassen, die die unterschiedlichen Lernpräferenzen berücksichtigt. Einige sind gut darin, sich selbstständig mit einem Thema auseinanderzusetzen und individuell Informationen zu sammeln, während andere von instruktionsgeleiteten Sitzungen und Diskussionen profitieren.
Darüber hinaus erfassen einige abstrakte Konzepte schnell, während andere von konkreten Beispielen profitieren. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass die Bedürfnisse jedes Einzelnen in einer einzigen Unterrichtsstunde von ein bis zwei Stunden erfüllt werden können. Wir arbeiten aber daran, diese Kluft zu überbrücken und ein Bildungsangebot anzubieten, das auf individuelle Lernstile zugeschnitten ist.
Wie möchten Sie denn in Zukunft aktives Lernen in Ihren Vorlesungen ermöglichen?
Ich unterrichte derzeit einen Grundkurs in Compilerdesign für circa 250 Bachelorstudentinnen und -studenten. Dieser Kurs folgt einem traditionelleren Lehransatz, obwohl ich mich bemühe, das Material interessant und ansprechend für die Studierenden zu gestalten. Der Kurs muss jedoch künftig noch besser auf die individuellen Bedürfnisse der Studierenden zugeschnitten werden. Im Bereich der Forschung untersuchen wir Bildungstechnologien, um besser zu verstehen, wie wir Lernende unterstützen können. Zum Beispiel denken meine Forschungsgruppe und ich für den Compilerkurs darüber nach, eine Plattform zu entwickeln. Diese würde es den Studierenden ermöglichen, unabhängig zu lernen und praktische Erfahrungen mit dem zentralen Lernstoff zu sammeln, anstatt sich ausschliesslich auf die Vorlesungen zu stützen. Dies ist ein fortlaufendes Projekt, das jedoch noch nicht in meinem Kurs umgesetzt wurde.
Wir kamen soeben kurz auf Ihre Forschung zu sprechen. Freuen Sie sich darauf, wieder mehr Zeit mit Forschungsprojekten zu verbringen?
In den letzten zwei Jahren hat sich mein Forschungstempo verlangsamt und ich konnte den Mitgliedern meiner Forschungsgruppe nicht mehr das gleiche Mass an Aufmerksamkeit schenken, wie ich es vor der Übernahme der Rolle getan habe. Der Grund, warum ich vor über zwanzig Jahren Professor wurde, war die Begeisterung für die Zusammenarbeit mit und dem Mentoring von Studierenden. Insbesondere meine Doktorierenden und Postdocs liegen mir sehr am Herzen, da sie den Schwerpunkt meiner Tätigkeit bilden. Ich freue mich darauf, ihnen wieder mehr Zeit zu widmen.
«Der Weg ist genauso wichtig wie die Endergebnisse. Wir haben Spass dabei und es macht mir grosse Freude, meine Studierenden zu betreuen und ihre Entwicklung mitzuerleben.»Prof. Zhendong Su
Können Sie einige Details zu bevorstehenden Projekte teilen, an denen Sie arbeiten werden?
Absolut! Mein Fachwissen und meine Hauptinteressen liegen im Bereich Programmiersprachen, Software Engineering und Compiler. Ich habe eine grosse Leidenschaft für Software und denke ständig darüber nach, wie man Software besser und schneller entwickeln kann. Mein Hauptziel ist es, Menschen dabei zu helfen, ihre kreativen Ideen in Softwareanwendungen und -tools umzusetzen. Um dies zu erreichen, habe ich vier Träume, die ich mit meiner Forschungsgruppe und kollaborierenden Forschenden noch vor dem Ruhestand verwirklichen möchte.
Erstens möchte ich eine «ultimative Programmiersprache» entwerfen, die benutzungsfreundlich ist und es ermöglicht, Software effektiver zu erstellen. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeite ich mit meiner Forschungsgruppe an einer experimentellen Programmiersprache namens Algot. Zweitens widme ich mich der Entwicklung eines «ultimativen Compilers». Stellen Sie sich einen hypothetisch perfekten Compiler vor, der die Softwareleistung drastisch verbessert, den Energieverbrauch reduziert und die Gesamteffizienz steigert. Mein dritter Traum ist es, das immerwährende Problem von Softwarefehlern in den Griff zu kriegen. Wir alle wissen, wie frustrierend und gefährlich sie sein können. Ich möchte ein Tool entwickeln, das tief verwurzelte Fehler identifizieren und beseitigen kann, um so die Zuverlässigkeit von Software zu verbessern. Mein vierter und letzter Traum ist ein intelligenter Programmierassistent, der alle relevanten Kenntnisse über die Softwareentwicklung in sich vereint.
Während diese vier Träume meine Arbeit antreiben, bleibt mein ultimatives Ziel, Menschen zu befähigen, Software schneller und besser zu entwickeln. Der Weg dorthin ist jedoch genauso wichtig wie die Endergebnisse. Wir haben Spass dabei und es macht mir grosse Freude, meine Studierenden zu betreuen und ihre Entwicklung mitzuerleben, wenn sie ihren Abschluss machen und sich dann neuen Aufgaben und Herausforderungen stellen. Letztendlich sind es die Menschen, die eine Forschungsgruppe, ein Departement und oder eine Universität wirklich auszeichnen.