“Es machte mich stolz, das Departement zu führen”
Nach zwei Jahren als Departementsvorsteher geht Professor Timothy Roscoe zurück zu «business as usual» – Lehre und Forschung. Er blickt auf seine Zeit an der Spitze des Departements zurück und erklärt die Bedeutung einer positiven Einstellung.
Professor Roscoe, Ihre Zeit als Departementsvorsteher ist vorbei. Was werden Sie an dieser Rolle am meisten vermissen?
Es ist eine schwierige Aufgabe, die mit viel Verantwortung verbunden ist, aber die Prozesse am Departement laufen gut und wir haben ausgezeichnete Mitarbeitende. Im Grossen und Ganzen ist es also eine sehr befriedigende Arbeit. Es machte mich stolz, das Departement zu führen. Durch eine Reihe bizarrer Umstände bin ich an der Spitze eines der besten Informatik-Departemente der Welt gelandet. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Zufriedenheit vermissen werde, weil ich immer Teil des Departements sein werde, aber es ist ein schönes Gefühl, das man als Vorsteher bekommt. Es ist auch kein einsamer Job; man macht es als Teil einer Gruppe. Alle sind hilfsbereit und unterstützen dich. Ausserhalb des Departements trifft und spricht man mit vielen Leuten, wie beispielsweise anderen Vorstehenden und Mitarbeitenden der Administration. Das vergrössert das Zugehörigkeitsgefühl und man erfährt mehr darüber, wie die ETH Zürich funktioniert.
Sicherlich lief nicht alles reibungslos. Was waren die grössten Herausforderungen?
Das Coronavirus war immer noch eine der grössten Herausforderungen. Mein Vorgänger David Basin stellte das Departement um: von einem persönlichen Modell zu einem Modell, bei dem wir im Lockdown waren und alles aus der Ferne stattfand. Und dabei war er sehr erfolgreich. Während meiner Amtsdauer war die Planung der Zeit nach der Pandemie, oder wenigstens nach dem Lockdown, ein wichtiges Thema. Diese ist noch nicht abgeschlossen. Eine andere Herausforderung war die Evaluation unseres Departements. Alle sieben Jahre gibt es solch eine und sie fiel genau in meine Amtszeit. Es war ein riesiger Arbeitsaufwand mit vielen involvierten Stellen. Im Februar 2021 haben wir mit der Planung begonnen und im Oktober 2022 war schliesslich die Beurteilung. Das Schwierigste daran war, dass wir sie online durchführen mussten. Wenn das Gremium hier gewesen wäre, hätten wir improvisieren, herumlaufen und mit verschiedenen Leuten reden können. Es war dennoch eine gute Übung: eine kritische Beurteilung von Zeit zu Zeit ist wichtig. Die Evaluation hat das Departement zusammengeschweisst und alle haben grossartige Arbeit geleistet.
Gibt es etwas, das Sie während Ihrer zweijährigen Amtszeit gerne getan hätten?
Definitiv, man kann nie genug tun. Wir konnten nicht alle unsere Wunschkandidatinnen und Wunschkandidaten einstellen, aber ich denke wir waren trotzdem erfolgreich was das Berufungsgeschäft angeht. Weiter habe ich versucht, die Prozesse am Departement zu dokumentieren. Manchmal ist es unklar, wie etwas funktioniert und dadurch können Ungereimtheiten entstehen. Es wäre ideal, wenn alle Prozesse schriftlich festgehalten würden, damit jeder und jede sie einsehen kann. Ich habe einige Fortschritte gemacht, aber ich hätte gerne mehr getan.
Was war Ihre bedeutendste Leistung?
Wir haben Amtsdauern von zwei Jahren, was eine zu kurze Periode für radikale Veränderungen ist. Wir möchten einen schrittweisen Wandel und nicht jemanden, der alles verändert. Viele Veränderungen haben lange vor meiner Zeit angefangen. Es gibt so manches, worauf wir als Departement stolz sein können, das liegt aber nicht an mir. Es ist vielmehr ein kollektiver Verdienst. Ich hoffe, dass wir uns weiterhin stetig verbessern werden. Daher ist wohl eine meiner grössten Errungenschaften, dass ich die gute Arbeit meiner Vorgänger fortgesetzt und nicht zu viel vermasselt habe.
Was hat Ihnen an der Arbeit am besten und am wenigsten gefallen?
Am besten hat mir gefallen, wenn alle an einem Strang gezogen haben, das Departement wie eine Einheit agierte und alles gut lief. Es war ein schönes Gefühl, wenn das passierte, und meistens war das auch der Fall. Am wenigsten gefallen hat mir der Umgang mit Missverständnissen oder starken Meinungsverschiedenheiten. Wenn die Angelegenheiten einen politischen oder persönlichen Aspekt bekommen haben, brauchte es viel mehr Energie, um sie zu lösen. Du musst zudem immer viele Faktoren im Auge behalten: das Departement, die Forschung, die Lehre, das Wohl der Studierenden und vieles mehr. Es herrschte ein bemerkenswerter Konsens zwischen den Departementsvorstehenden, dass das alles unter einen Hut zu bringen eine grosse Herausforderung ist.
Gibt es eine Möglichkeit, die Arbeit der Departementsleitung zu erleichtern?
Im Rahmen der rETHink Initiative wurde eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, wie Departemente effizienter arbeiten und die Vorstehenden entlastet werden können. In mancher Hinsicht waren diese Vorstösse gut, aber einen Grossteil wenden wir sowieso bereits an. Es war schön, dass die ETH für mehr Effizienz den Departementen empfiehlt, so wie D-INFK zu arbeiten – was grossartig ist, wenn man nicht D-INFK oder ein ähnliches Departement ist. Die Initiative empfiehlt unter anderem einen Departementsausschuss, um die Arbeit aufzuteilen, eine Departementskoordination mit grösserer Autonomie, Führungsrotationen und eine Nachfolgeplanung, um Kontinuität zu gewährleisten. Die meisten Vorschläge sind bei uns bereits Realität.
Wo sehen Sie das Departement in fünf Jahren?
Überall in Zürich! Das Departement – und die ETH – stehen vor zahlreichen Herausforderungen. Wir befinden uns in einer wirtschaftlich schwierigen Phase ohne Aussicht auf Besserung in den nächsten Jahren. Es gibt Herausforderungen in Bezug auf Ressourcen, Platz und Fragmentierung. Die verschiedenen Einheiten des Departements sind momentan auf neun Gebäude verteilt. Mit dem Umzug in den Andreasturm wird diese Verteilung noch stärker spürbar sein.
Die Welt ändert sich; die Globalisierung wird in fünf Jahren anders aussehen. Der gesellschaftliche Stellenwert von Universitäten ist sehr schwer vorherzusagen. Ich möchte glauben, dass Europa und die Schweiz grossartige Universitäten wie die ETH weiterhin als wesentlich für Sicherheit, Autonomie und Wohlstand erachten. Der wirtschaftliche Einfluss der ETH Zürich auf die Schweiz ist enorm und die Informatik hat dabei eine zunehmend wichtigere Rolle. Gleichzeitig hat sich für uns ein interessanter neuer Trend gebildet: Während meiner Amtszeit haben wir eine grosszügige Zuwendung von der Dieter Schwarz Stiftung erhalten. Für manche Departemente ist das nicht unüblich, aber für uns ist es eine Neuheit. Ich denke, wir werden noch weitere grosse Zuwendungen in der Zukunft anziehen können. Die zukünftige Herausforderung für das Departement besteht darin, herauszufinden, was mit den Zuwendungen geschehen soll. Dies erfordert ein grundlegendes Umdenken bei der Planung. Wir sind es nicht gewohnt, in dieser Grössenordnung zu denken.
«Der wirtschaftliche Einfluss der ETH Zürich auf die Schweiz ist enorm und die Informatik hat dabei eine zunehmend wichtigere Rolle.»Professor Timothy Roscoe
Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis aus den letzten zwei Jahren?
Nicht vom Schlimmsten auszugehen. Eine positive Einstellung genügt nicht, aber sie ist dennoch sehr hilfreich. Es ist nicht deine Aufgabe, anderen zu sagen, was sie tun sollen, sondern sie gewissermassen in die richtige Richtung zu lenken. Meiner Erfahrung nach geht es bei den meisten Meinungsverschiedenheiten nicht darum, was das Departement tun sollte, sondern vielmehr darum, wie diese Dinge erreicht werden können. Das deutet darauf hin, dass die meisten D-INFK Angehörigen in der Regel das Gleiche für das Departement wollen, sie sind sich nur uneinig über den richtigen Weg.
Welchen Tipp können Sie Ihrem Nachfolger Kenny Paterson geben?
Das Wichtigste ist, dass man nicht alleine ist. Wenn etwas passiert und man reagieren muss, sollte man als Erstes innehalten und überlegen: Mit wem kann ich darüber sprechen? In der Hitze des Gefechts geht das schnell vergessen. Die meisten Mitarbeitenden sind in der Regel gerne bereit, diese Dinge zu besprechen. Ich habe Kenny diesen Rat gegeben und ihm empfohlen, sich dies auf einem Post-it Zettel auf seinem Monitor zu notieren. Hinzu kommt, dass die meisten Leute es gut meinen, auch wenn es manchmal nicht so aussieht. Man soll nicht naiv sein, aber schlussendlich kommt man weiter und ist in diesem Amt erfolgreicher, wenn man davon ausgeht, dass alle die besten Absichten haben.
Wie sieht Ihr nächster Schritt aus?
Ich werde nicht komplett verschwinden. Im Moment versuche ich andere Tätigkeiten, wie die Mitarbeit in verschiedenen Kommissionen, wenigstens ein Jahr lang hinauszuzögern, aber ich bleibe während dieser Zeit im Departementsausschuss. Ich will zurück zur Forschung und zurück zu der Arbeit mit Studierenden. Wir haben ungefähr viereinhalb Jahre lang an einem coolen Computer namens Enzian gebaut. Plötzlich funktionierte er und wir können nun all diese aufregenden Dinge tun – aber ich hatte keine Kapazitäten dafür. Wir haben jetzt 14 von diesen Maschinen, die sonst niemand hat, also will ich mehr Zeit damit verbringen.