Ein Wiedersehen nach (fast) 40 Jahren

Am 12. Oktober fand im Gebäude CAB ein kleines Get-together zu Ehren der D-INFK-Gründer Niklaus Wirth und Carl August Zehnder statt. Vor Ort waren Alumni, ehemalige Mitarbeitende und Professoren aus der Gründungszeit des Departements vor 40 Jahren.

Ueli Maurer, Carl August Zehnder, Niklaus Wirth und Timothy Roscoe
Heutige Departementsleitung trifft auf D-INFK-Gründer: Ueli Maurer (l.) kannte Carl August Zehnder (2.v.l.) und Niklaus Wirth (3.v.l.) gut aus seiner Zeit als Student und junger Professor an der ETH. Departementsvorsteher Timothy Roscoe (r.) stellte den emeritierten Professoren das heutige D-INFK vor. (Foto: Andreas Bucher)

40 D-INFK-Alumni der ersten Stunde, ehemalige Doktorierende und Mitarbeitende sowie einige der ersten Professoren am D-INFK trafen sich am Dienstag, 12. Oktober, im CAB-Restaurant food&lab, um das 40-jährige Jubiläum «ihres» Departements zu feiern. Dort konnten sie sich auch mit der heutigen D-INFK-Generation austauschen: Vertreterinnen und Vertreter von Studierenden- und Mittelbauverbänden sowie einige aktuelle Professorinnen und Professoren waren ebenfalls anwesend.

Die emeritierten Professoren Niklaus Wirth und Carl August Zehnder nahmen als Ehrengäste am Get-together teil. In einem Panel berichteten die Departementsgründer, wie sie 1981 gemeinsam mit Peter Läuchli und Jürg Nievergelt den Studiengang Informatik an der ETH Zürich ins Leben riefen. Die junge Wissenschaft kämpfte mit viel Gegenwind aus den anderen Ecken der Hochschule. «Man war nicht gegen Rechner an sich», erinnert sich Wirth. «Man sagte aber, Programmieren lerne ein Ingenieur nebenbei. Das sei keine akademische Disziplin.» Eigentlich wollten die Gründer den Studiengang bereits 1970 einführen. «Die erste Opposition kam aus der Mathematik und der Physik», sagt Zehnder. «Man sprach uns alles Mögliche ab, auch die Wissenschaft.»

Peter Ursprung, ehemaliger Doktorand von Zehnder, war zu diesem Zeitpunkt noch in der Mathematik und sass als Studierendenvertreter im Abteilungsrat. «Wir diskutierten, ob es einen eigenen Studiengang für Informatik geben sollte. Ich kämpfte dafür, aber ich und meine Kommilitonen waren unterlegen. Die Mehrheit sprach sich dagegen aus», erinnert er sich. «Am 25. Jubiläum des Studiengangs Informatik traf ich auf einen Mathematikprofessor von damals. Er sagte, er sei zu Unrecht dagegen gewesen.»

Dass sich der Wind gedreht hat, zeigte auch Departementsvorsteher Timothy Roscoe in seiner Ansprache. Das starke Wachstum des D-INFK sei nur ein Anzeichen dafür. «Praktisch alle anderen Departemente an der ETH Zürich machen heute sozusagen angewandte Informatik», sagt Roscoe. «Und wir bilden sie dafür aus, in dem wir entsprechende Lehrveranstaltungen für andere Fachrichtungen anbieten.»

Prof. Timothy Roscoe
Professor Timothy Roscoe, amtierender Departementsvorsteher des D-INFK, zeigte das Wachstum und die aktuellen Tätigkeiten des Departements Informatik auf. «Viele andere Fachgebiete betreiben heute angewandte Informatik», sagte er. (Foto: Andreas Bucher)

Nach der Diskussion kamen die Gäste in den Genuss eines Apéros – und vor allem auch des Austauschs mit alten Bekannten. «Ich habe mich gefreut, meinen Doktorvater Jürg Gutknecht wiederzusehen – praktisch zum ersten Mal seit meiner Doktorprüfung 1988», sagt Alumnus Matthias Wille. Professor emeritus Jürg Gutknecht war ebenfalls erfreut, seine ehemaligen Doktorierenden wiederzusehen: «Es war interessant zu sehen, was die Leute nach dem Informatikstudium für Karrieren gemacht haben», sagt er. Fredi Schmid, Mitbegründer und erster Präsident des Vereins der Informatikstudierenden (VIS), arbeitet heute nicht mehr in der Informatik. «Es war sehr spannend für mich, wieder in diese Welt einzutauchen und alte Kollegen nach über 30 Jahren wiederzusehen», sagt er.

Besonders gefreut haben sich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Departementsgründer wiederzusehen. Studiendirektor Ueli Maurer ist zugleich auch dienstältester Professor am Departement Informatik. Als er 1991 ans Departement kam, arbeitete er noch persönlich mit Carl August Zehnder und Niklaus Wirth. «Zehnder hielt das Departement zusammen, formte es zu einem Team», erinnert er sich. «Er strahlte viel Wärme aus und setze sich immer für die Sache ein. Wirth war der Star, ein international höchst anerkannter Wissenschaftler und Turing-Award-Gewinner. Er inspirierte mich als Student 1979, neben des Studiums mein erstes eigenes Programm auf Lochkarten zu schreiben.» Viele Gäste erinnerten sich an Anekdoten aus ihrer Zeit am Departement oder gaben ihre Einschätzung zum heutigen Stand der Informatik. Diese Aussagen finden Sie in der untenstehenden Galerie.

Ueli Maurer, Studiendirektor, war als junger D-INFK-Professor etwas eingeschüchtert von Niklaus Wirth. «Ich entschied mich, für meine Vorlesung von 400 Studierenden die Programmiersprache Modula-2 von Niklaus Wirth zu verwenden. Als ich ihm das mitteilte, sagte er: ‹Sie haben Oberon gar nicht richtig angeschaut. Modula-2 ist veraltet, Sie müssen Oberon verwenden.› Danach wurden wir aber gute Kollegen.» (Foto: Andreas Bucher) Auch Thomas Stricker (l.), ehemaliger Vorsteher des Instituts für Computersysteme, erinnert sich daran, wie streng Niklaus Wirth war. «Ich unterrichtete Informatik für Elektrotechniker und wählte dafür C++, eine Sprache, die Niklaus Wirth häufig kritisierte. Er bat mich, zu ihm ins Büro zu kommen und das zu erklären. Das gelang mir auch: Am Schluss sagte er, er könne diesen Entscheid für diese spezifische Vorlesung verstehen.» (Foto: Andreas Bucher) Professor emeritus Jürg Gutknecht verdankt Niklaus Wirth seine Rückkehr zur Informatikforschung. «Ich arbeitete als Mittelschullehrer, als ich auf ein Stelleninserat von Niklaus Wirth stiess. Sein Name war sehr bekannt. Ich schaute aus Neugierde vorbei und sah Wirths Computer Lilith mit seinem Fenstersystem. Das faszinierte mich so sehr, dass ich Teil davon sein wollte.» Seit diesem Tag 1981 blieb Jürg Gutknecht bis zu seiner Emeritierung 2014 an der ETH Zürich. (Foto: Andreas Bucher) Matthias Wille (r.) doktorierte bei Jürg Gutknecht (l.) und Niklaus Wirth (m.), erinnert sich aber auch gut an Carl August Zehnder. «Herr Zehnder war eine prägende Figur am Departement und vertrat es gegenüber der Schulleitung. Niklaus Wirth scherzte, er würde ihm ein Skateboard schenken, weil er so viel unterwegs war. Ein anderes Mal bekam er ein Periskop, damit er über die Papierberge auf seinem Tisch sehen konnte.» (Foto: Andreas Bucher) Niklaus Wirth erinnert sich gut an seine scherzhaften Geschenke für Zehnder. Die beiden Gründer verbindet eine lange Freundschaft. Die Gründungszeit sei anstrengend gewesen. «Die Schulleitung versprach mir 1970, einen Informatikstudiengang aufzubauen. Bis es so weit war, vergingen zehn Jahre. In dieser Zeit hat man mir immer wieder Sabbaticals an anderen Universitäten gewährt. Davon konnten ich und das Departement profitieren.» (Foto: Andreas Bucher) Carl August Zehnder (l.) nahm die Scherze gelassen. «Das Periskop habe ich immer noch. Wir kennen uns sehr gut, sodass mich solche Neckereien nie verletzt haben. Ansonsten war Niklaus Wirth der seriöse und durchdachte Kernwissenschaftler. Ich war eher der Politiker, der sich um die Akzeptanz und Nutzung der Informatik kümmerte. Es half mir immer sehr, wenn ich ihn und sein Wissen bei Verhandlungen und Diskussionen auf meiner Seite hatte.» (Foto: Andreas Bucher) Als ehemaliger Doktorand von Carl August Zehnder erinnert sich Robert Marti (2.v.l.) noch gut an seinen Doktorvater und dessen Interessen. «Während der Diskussion habe ich die beiden Herren Wirth und Zehnder gleich wiedererkannt, sie haben ihre Art und ihre Ansichten nicht geändert. Ich sass neben alten Kollegen und uns fielen sogar wieder alte Insiderwitze aus dieser Zeit ein. Es war schön, heute all die alten Bekannten wiederzutreffen.» (Foto: Andreas Bucher) Fredi Schmid, hier neben dem heutigen VIS-Präsidenten Emir İşman, begann sein Informatikstudium 1982 und schätzte die Vorlesungen von Carl August Zehnder. «Als ich an die ETH kam, konnte ich kaum programmieren. Das Niveau der meisten Fachbücher war für mich zu hoch, und das der Vorlesungen von Niklaus Wirth, ehrlich gesagt, auch. Herr Zehnder vermittelte das Wissen sehr verständlich, sodass ich viel von ihm lernen konnte.» (Foto: Andreas Bucher)
Aber auch von Niklaus Wirth konnten junge Leute viel lernen – und können es noch heute. Rosmarie Müller (r.), die Partnerin von Niklaus Wirth, erzählt: «Mein Enkel ist 16 Jahre alt und hat gerade seine Lehre angefangen. Und siehe da: An seinem neuen Arbeitsort hängt ganz gross ausgedruckt ein Zitat von Niklaus.» (Foto: Andreas Bucher) Karl Rege, Alumnus der ersten Stunde, ist heute selber Informatikprofessor an der ZHAW. Er entschied sich dank Zehnder für die neue Studienrichtung. «Ich besuchte als Maturand die Studieninformationstage von der Uni und ETH. Herr Zehnders Vorstellung überzeugte mich, in die Informatik zu gehen. Da bin ich nun seit ein paar Jahrzehnten tätig, und ich finde es noch immer das interessanteste Gebiet. Ich würde sofort wieder Informatik studieren.» (Foto: Andreas Bucher) Alumnus Marc Brandis (l.) hat das Departement nie ganz verlassen: Er ist Lehrbeauftragter am D-INFK. Auch er ist begeistert von seinem Fach. «Ich würde auf jeden Fall wieder Informatik studieren, ich brenne dafür. Als ich studiert habe, gab es drei Arten von Informatikstudierenden: diejenigen, die sich für Mathematik interessierten; diejenigen, die Karriere machen wollten; und die Nerds, die Informatik selber faszinierend fanden. Ich war einer der letzteren.» (Foto: Andreas Bucher) Anne-Lene Groll (m.) kam 1982 als Doktorandin ans Departement. Obwohl sie sich schliesslich gegen eine akademische Karriere entschied, hat sie ihre Zeit an der ETH in bester Erinnerung. «Es war eine sehr bereichernde Zeit. Nach zwei Jahren entschied ich mich aber, in die Industrie zu wechseln. Ich arbeitete bis zu meiner Pensionierung in der Informatik, angefangen als Programmiererin, aufgehört als Projektleiterin. Die Vielfalt sagte mir sehr zu.» (Foto: Andreas Bucher) Auch Alumnus René Roshardt (l.) schätzt die Vielfalt seines Berufs. «Als Informatiker kommt man immer wieder zu neuen Themen und Projekten. Oft muss man dafür nicht einmal das Unternehmen wechseln. Heute bin ich in IT-Projekten und –Beratung tätig. Im Studium interessierten mich vor allem theoretische Fragen. Meine schlimmste Erinnerung an die Studienzeit: Floating-Point-Arithmetik in Assembler zu programmieren.» (Foto: Andreas Bucher) Als erster Departementsvorsteher setzte sich Hans-Peter Frei (l.) viel für das junge D-INFK ein. Ihm verdankt es auch seinen englischen Namen. «Eines Tages erstellte die ETH-Verwaltung Broschüren, in denen die ganze ETH vorgestellt werden sollte. Als Departementsvorsteher musste ich sie kontrollieren. Ich sah, dass Informatik mit Informatics übersetzt worden war und liess das zu Computer Science ändern.» (Foto: Andreas Bucher) Als Doktorand schätzte Peter Ursprung (r.) die einmaligen Möglichkeiten, welche die ETH bot. «Wir hatten neuartige Technologien wie die Lilith und führende Experten wie Professor Zehnder. Das gab mir ein ausgezeichnetes Fundament fürs Berufsleben und hat auch die Informatik in der Schweizer Industrie professionalisiert. Heute ist das nicht anders, wenn man sieht, dass Weltfirmen wie Google unter anderem wegen diesem Studiengang ihren Sitz in Zürich haben.» (Foto: Andreas Bucher)

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