«Da fing mein Herz an zu rasen»

Kristina Hostáková stiess im vergangenen Dezember als Postdoc zur Forschungsgruppe von Professor Dennis Hofheinz am Institut für Theoretische Informatik. Im Interview spricht sie über asymmetrische Kryptographie, ihren Weg zur ETH Zürich und die Förderung von Frauen in der Informatik.

Kristina Hostakova
Kristina Hostáková ist das neuste Mitglied der Foundation of Cryptography Gruppe.

Kristina Hostáková, Sie sind seit letztem Dezember Mitglied der Forschungsgruppe von Professor Dennis Hofheinz. Wie ist es Ihnen in den letzten drei Monaten ergangen?
Gut, obwohl ich momentan aus Umzugskisten lebe. Mein Partner und ich sind kürzlich in eine fixe Wohnung in einem grünen Viertel in Zürich gezogen. Das Arbeiten von zu Hause aus ist für mich als Informatikerin kein Problem. Dennoch bin ich sehr froh, dass ich die meisten meiner neuen Kolleginnen und Kollegen letztes Jahr persönlich kennenlernen konnte. Heute tauschen wir uns in regelmässigen Zoom-Meetings über unsere Forschung und auch unser Privatleben aus. Ich fühle mich gut integriert.

Wie verlief Ihr Weg von der mathematisch versierten Gymnasiastin in der Tschechischen Republik zur Kryptographie-Postdoktorandin an der ETH Zürich?

Im Gymnasium besuchte ich eine Klasse mit Mathematikschwerpunkt und hatte dort meine ersten Programmierkurse. Meine Interessen reichten jedoch von Mathe über Sprachen bis hin zu Sportpsychologie. Zuerst hatte ich keine klare Idee, was ich studieren wollte. Das änderte sich an einem Studieninformationstag am Departement Mathematik an der Karls-Universität in Prag. Bei einem Vortrag über Kryptographie wurde mir schnell klar, dass ich dieses Fach vertiefen möchte. Nach meinem Mathematikstudium mit Vertiefung Kryptographie in Prag begann ich meine Promotion in angewandter Kryptographie an der Ruhr-Universität Bochum in Deutschland. Als mein Doktorvater während meines Doktorats an die Technische Universität Darmstadt wechselte, zog auch ich um und schloss letztes Jahr dort meine Promotion ab. Von Dennis Hofheinz und seiner Forschung erfuhr ich bereits während meines Doktorats durch meine Kollegin Julia. Sie hatte bei ihm promoviert. Als ich auf der Suche nach einer Postdoc-Stelle war, nahm ich mit Dennis Kontakt auf. Bei einem persönlichen Treffen letzten Sommer stellten wir fest, dass unsere Forschungsinteressen zusammenpassen und wir uns auch persönlich gut verstehen.

Als Sie von jener ersten Kryptographie-Präsentation erzählten, begannen Ihre Augen zu leuchten. Was hatte Ihre Faszination ausgelöst?

Das externe SeitePublic-Key-Kryptosystem, auch asymmetrische Kryptographie genannt. Als ich davon erfuhr, begann mein Herz zu rasen und ich wollte unbedingt wissen, wie sie funktioniert. Vor der Entdeckung des asymmetrischen Kryptosystems in den 1970er-Jahren mussten zwei Personen, die geheime Nachrichten austauschen wollten, sich immer auf einen Schlüssel einigen. Ein einfaches historisches Beispiel für ein solches Verschlüsselungsverfahren ist die externe SeiteCaesar-Verschlüsselung. Bei der asymmetrischen Kryptographie hingegen werden zwei Schlüssel verwendet. Ein Schlüssel ist öffentlich, beispielsweise im Internet publiziert. Der andere Schlüssel ist geheim. Mit dem öffentlichen Schlüssel kann jeder eine Nachricht verschlüsseln. Wieder entschlüsseln kann die Nachricht aber nur die Inhaberin des zweiten, geheimen Schlüssels. Dieses faszinierende Prinzip ist auch ein zentrales Element meiner aktuellen Forschung über digitale Signaturen.

Was ist eine digitale Signatur und wozu ist sie nützlich?
Eine digitale Signatur hat einen ähnlichen Zweck wie eine analoge Unterschrift. Sie bestätigt, dass eine Entität mit einer bestimmten Identität – eine Person, eine Personengruppe oder ein Unternehmen – eine gegebene Nachricht, zum Beispiel einen Vertrag, autorisiert. Eine weitere Eigenschaft einer digitalen Signatur, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Quantenresistenz. Mit diesem Merkmal ist eine Signatur auch beim Einsatz von Quantencomputern noch sicher. Der Hauptzweck digitaler Signaturen besteht darin, sicherzustellen, dass Menschen im digitalen Raum geschützt kommunizieren und interagieren können. Das ist wichtig in unserer globalisierten Welt – und erst recht während der aktuellen Pandemie.

«Als Kryptographin muss man stets die richtige Balance zwischen Sicherheit, finanziellen Kosten und Effizienz finden.»Kristina Hostáková

Können Sie ein Beispiel für ein konkretes Forschungsprojekt nennen?
Ich beschäftige mich seit Längerem mit digitalen Zwei-Parteien-Signaturen. Stellen Sie sich vor, Sie und Ihr Freund wollen gemeinsam eine Wohnung mieten und müssen beide einen digitalen Mietvertrag unterschreiben. Entweder können Sie beide einzeln unterschreiben, oder Sie kreieren eine gemeinsame Unterschrift, indem Sie die zwei Signaturen zusammenführen. Die gemeinsame Signatur hat zum Vorteil, dass sie weniger Speicherplatz benötigt und somit kostengünstiger ist. In grossen Anwendungen, wo einzelne Informationen dupliziert und an verschiedenen Orten gespeichert werden, kann reduzierter Speicherplatz zu beträchtlichen finanziellen Einsparungen führen. Als Kryptographin muss man stets die richtige Balance zwischen Sicherheit, finanziellen Kosten und Effizienz finden. Wenn ein digitaler Prozess, beispielsweise eine Online-Zahlung, maximal sicher ist, aber 30 Minuten dauert, ist er nicht benutzerfreundlich und bleibt eine schöne Theorie.

Sie sind Teil unseres Netzwerks Women in Computer Science. Was ist Ihre Rolle bei CSNOW?
Ich teile mir die Leitung der Gruppe mit Joel Wanner und Mridula Singh, beide sind im Doktoratsstudium. Bemerkenswert am CSNOW-Netzwerk ist für mich seine Vielfalt. Das Netzwerk umfasst Studierende aller Stufen, Postdocs und sogar Professorinnen. Und wir haben auch Männer in unserer Gruppe. Das ist sehr wichtig. Der Frauenmangel in der Informatik betrifft die gesamte Informatik-Gemeinschaft – und sollte deshalb gemeinsam angegangen werden.

Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptfaktoren, die den geringen Frauenanteil in der Informatik verursachen?

Es ist ein komplexes Problem, für das es keine einfache Lösung gibt. Ich denke, dass Vorbilder sehr wichtig sind. Während des Studiums muss man erst noch seinen Weg finden. In diesem Prozess erleben alle – unabhängig vom Geschlecht – eine gewisse Unsicherheit, und Vorbilder können deshalb sehr ermutigend sein. Und da sind Studentinnen klar im Nachteil. Sie schauen sich um und sehen meist männliche Professoren. Das fördert kein Vertrauen, sondern wirft Fragen auf. Deshalb ist es toll, dass unser Fachbereich im letzten Jahr fünf neue Professorinnen eingestellt hat. Ausserdem denke ich, dass Gymnasiastinnen oft nicht erkennen, wie vielfältig das Feld der Informatik ist. Meiner Meinung nach sollten alle Kinder, und Mädchen ganz besonders, so früh wie möglich mit Programmieren in Kontakt kommen. Nur so können sie erfahren, wieviel Kreativität und Interdisziplinarität die Informatik mit sich bringt.

«Ich denke, Gymnasiastinnen erkennen oft nicht, wie vielfältig das Feld der Informatik ist.»Kristina Hostáková

Warum gibt es trotz aktiver Bemühungen seitens Universitäten und anderer Organisationen immer noch so wenige weibliche Vorbilder?
Wir haben es hier mit einem zweifachen Problem zu tun. Erstens ist der Talentpool der Informatik-Studentinnen ohnehin bereits klein. Zweitens ist der Anteil an Frauen, die in die Forschung gehen, in allen Wissenschaften relativ tief. Dies ist wohl auf unterschiedliche Faktoren, wie den erwähnten Mangel an Vorbildern, zurückzuführen. Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung als Forscherin sprechen. Innerhalb der letzten Jahre habe ich mein «Zuhause» dreimal verschoben. Das kostete viel Energie und trennte mich von Freunden und Familie. Der Leidenschaft für die Forschung zu folgen, hat einen hohen Preis, unabhängig vom Geschlecht.

Was haben Sie auf Ihrem Weg gelernt?

Erstens: Sei proaktiv. Wenn etwas fehlt, erschaffe es selbst und lasse dich nicht von Lehrplänen oder bestehenden Angeboten aufhalten. Als meine Mitstudierenden und ich ein Seminar zur Diskussion aktueller Entwicklungen in der Kryptographie vermissten, gründeten wir einfach selbst eines. Die Professorenschaft fand die Idee gut und bot im folgenden Semester selbst ein solches Seminar an. Zweitens: Folge deiner Leidenschaft. Wenn du für ein Thema brennst, nimm es ernst und finde einen Weg, deinen Traum zu verwirklichen. Man kann immer noch die Richtung wechseln, wenn es nicht klappt. Ich bin auch noch dabei, herauszufinden, ob der akademische Weg für mich funktioniert. Bis jetzt erfüllt mich das, was ich tue, sehr. Ich bin mir bewusst, dass noch einige herausfordernde Schritte vor mir liegen. Wie ich sie meistere, werde ich sehen, wenn es so weit ist (lacht).

CSNOW
Das CSNOW Netzwerk will geschlechtsspezifische Barrieren und Vorurteile abbauen.
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