«Es ist enorm spannend, bei der Forschung vorne dabei zu sein»

Christina Pöpper, Professorin an der New York University Abu Dhabi (NYUAD) studierte und doktorierte an der ETH Zürich und setzte sich für die Frauen am Departement Informatik ein. Heute zeigt sie ihren Studierenden die Eleganz und Schönheit der Informatik.

Prof. Christina Pöpper
Christina Pöpper forscht und lehrt an der New York University Abu Dhabi mit Schwerpunkt Informationssicherheit.

Frau Professor Pöpper, woran forschen Sie zurzeit?
Meine Forschungsgruppe beschäftigt sich mit der Informationssicherheit, insbesondere mit der Sicherheit von Netzwerken und Systemen. Dazu zählen beispielweise 4G- und 5G-Mobilfunknetze oder Luftfahrt- und GPS-Systeme. Wir untersuchen zum Beispiel, wie Drohnen merken können, wenn sie angegriffen werden und dadurch ihre berechnete GPS-Location oder ihre Zeitsynchronisierung nicht mehr stimmt. Zudem interessieren uns auch Datenschutzaspekte, darunter das digitale Vergessen: Wie geht man mit Daten um, die nur für eine gewisse Zeit öffentlich zugänglich sein sollen?

Wirkt sich Ihr Wissen über die (Un-)Sicherheit solcher Systeme auf Ihr eigenes Verhalten aus?
Beim Fliegen habe ich keine Bedenken – da überwiegt der Optimismus, dass schon nichts passieren wird. Aber ich gebe ungern Informationen über mich preis, weil ich weiss, dass solche Informationen auch gegen mich verwendet werden können. So bin ich zum Beispiel bei sozialen Netzwerken zurückhaltend.

Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrem Job als Professorin?
Ich kann selbst entscheiden, woran, wie und mit wem ich arbeite. Eine solche Freiheit geniesst man ausserhalb des universitären Umfelds selten. Ausserdem ist es enorm spannend, mit vielen jungen, motivierten Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenzuarbeiten, jeden Tag intellektuell herausgefordert zu werden und bei der Forschung vorne dabei zu sein. Ich unterrichte auch gerne, insbesondere hier an der NYUAD, wo die Klassen klein sind und der Unterricht dadurch interaktiv ausfällt.

Forschen, eine Gruppe führen, Studierende unterrichten: Das klingt nach viel Arbeit. Wie ist es um Ihre Work-Life-Balance bestellt?
Professorin zu sein ist gewiss kein Nine-to-five-Job mit fixen Arbeitszeiten, wo man abends immer zur gleichen Zeit nach Hause kommt und die Füsse hochlegt. Trotzdem ist Work-Life-Balance essenziell. Forschen an einer Universität ist ein Marathon, den man nur durchhält, wenn man einen Ausgleich schafft. Für mich ist meine Familie dieser Ausgleich.

Warum haben Sie Informatik studiert?
Ich mochte schon als Kind Knobeleien und Rätsel. Ich wollte etwas studieren, das mich intellektuell herausfordert, wo ich Sachverhalte verstehen, Probleme lösen und Ideen realisieren kann, und nicht einfach Fakten auswendig lernen muss. Das begeistert mich bis heute an der Informatik. Die ETH Zürich war mit ihrem guten Ruf eine naheliegende Wahl.

«Ich wollte etwas studieren, das mich intellektuell herausfordert, wo ich Sachverhalte verstehen, Probleme lösen und Ideen realisieren kann, und nicht einfach Fakten auswendig lernen muss.»Professor Christina Pöpper

Fiel Ihnen das Studium schwer?
Ich hatte vor dem Studium keine Programmiererfahrung und wusste auch sonst relativ wenig von Computern – ich hatte erst etwa zwei Monate vor Studienbeginn meine erste E-Mail-Adresse. Da war der Einstieg nicht ganz einfach. Aber ich blieb dran und irgendwann kam ich beim Programmieren in den Flow, wo man die Zeit um sich herum vergisst. Das hat mich motiviert, mir richtig Spass gemacht, und ich meisterte den Rest des Studiums ohne grössere Probleme.

Wann begannen Sie sich für Ihr Fachgebiet, die Informationssicherheit, zu interessieren?
Noch vor dem Studium bekam ich von meiner Mathematiklehrerin ein Buch über Kryptographie, das ich faszinierend fand. Im Studium liebte ich die Krypto-Vorlesungen von Professor Ueli Maurer. Kurz vor meinem Abschluss wechselte dann Professor David Basin an die ETH Zürich. Einer seiner Postdoktoranden gab eine Vorlesung über Informationssicherheit – so lernte ich mein künftiges Fachgebiet kennen.

Bevor Sie Ihr Doktorat an der ETH Zürich begannen, arbeiteten Sie zunächst zwei Jahre bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Paris. Warum sind Sie wieder an die Hochschule zurückgekommen?
Die Arbeit als Softwareentwicklerin bei der ESA verband Informatik mit meinem zweiten Steckenpferd, der Raumfahrt. Es gefiel mir, aber ich wollte je länger, desto mehr tiefer in die Informatik eintauchen. Die Promotion war eine gute Gelegenheit, mein Verständnis zu vertiefen und mich zu spezialisieren. Also kehrte ich an die ETH Zürich zurück, in die System-Security-Gruppe von Professor Srdjan Capkun, der gerade erst an die ETH gekommen war. Ich war seine zweite Doktorandin.

Wie kam es dazu, dass Sie während Ihres Doktorats die Co-Leitung der Frauenförderung (heute CSNOW) übernahmen?
Ich habe als Schülerin das Schnupperstudium für Mädchen besucht, das es bis heute gibt. Dort habe ich zum ersten Mal programmiert, die ETH kennengelernt und Uni-Luft geschnuppert. Das hat mir sehr geholfen. Deshalb wollte ich das Schnupperstudium während meiner Promotion mitgestalten. Ausserdem war es mir ein Anliegen, Studentinnen und Doktorandinnen Möglichkeiten für Austausch zu geben und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit am Departement zu schaffen.

Warum sollte man Frauen fördern?
Warum nicht? Frauen machen 50 Prozent der Bevölkerung aus, aber nur einen Bruchteil der Informatikstudierenden. Warum ist das so? Es gibt nichts an der Informatik, das speziell männlich ist. Die Informatik entwickelt Lösungen, die von allen Bevölkerungsgruppen verwendet werden. Deswegen ist es auch wichtig, dass sich alle daran beteiligen. Ausserdem entstehen in einem diversen Umfeld mehr neue und interessante Ideen als in einem homogenen, weil jeder und jede mit neuen Perspektiven in Kontakt kommt.

«Es gibt nichts an der Informatik, das speziell männlich ist.»Professor Christina Pöpper

Sie wohnen und arbeiten in einem als konservativ geltenden Land. Wie steht es um die Frauen in der Informatik an der NYUAD?
Das entspricht nicht unbedingt meiner Wahrnehmung. In den meisten Bereichen erlebe ich die Vereinigten Arabischen Emirate als ausgesprochen liberal und fortschrittlich. Der prozentuale Anteil an Frauen unter den Studierenden mit Schwerpunkt Informatik ist an der NYUAD wesentlich höher als in der Schweiz oder in Deutschland – beinahe 50/50. Die NYUAD kombiniert für mich das Beste aus beiden Welten: das Forschungsumfeld einer US-amerikanischen Universität und das multikulturelle Umfeld der Emirate, wo viele Nationalitäten aufeinandertreffen. 85 Prozent unserer Studierenden sind international.

Was wollen Sie Ihren Studierenden vermitteln ausser dem eigentlichen Vorlesungsstoff?
Ganz vieles! Dazu gehören strukturiertes Vorgehen, Teamarbeit und Kreativität. Ich unterrichte derzeit diskrete Mathematik. Das klingt am Anfang trocken, hat aber viele elegante Komponenten, wo es darum geht, Muster zu erkennen und Zusammenhänge zu verstehen, auch im Alltagsleben. Ich möchte meinen Studierenden die Eleganz und Schönheit der Informatik zeigen. Aber auch die Beharrlichkeit, dranzubleiben, wenn es vielleicht mal schwieriger wird.

Haben Sie das auch in Ihrem ETH-Studium gelernt?
Ja, die ETH hat mir viel gegeben und ich fühle mich ihr nach wie vor sehr verbunden. Die strukturierte Arbeitsweise und das Dranbleiben waren bei den Vordiplomprüfungen (heute Basisprüfung) wichtig. Profitiert habe ich auch von meinem Industriepraktikum bei der Ergon Informatik AG und vom Auslandssemester an der Universität Lund in Schweden. Es hat für mich immer zum Studium dazugehört, andere Umgebungen und andere Länder kennenzulernen. Informatik hat da einen Riesenvorteil: Sie ist universell. Man entwickelt Kompetenzen, die man auf der ganzen Welt einsetzen kann.

Was unterscheidet die Informatik sonst noch von anderen Natur- und Technikwissenschaften?
Naturwissenschaften und Mathematik versuchen, die Welt zu beschreiben und zu verstehen, während wir in der Informatik die digitale Welt um uns herum kreieren und gestalten. Das verbindet sie mit anderen Ingenieurwissenschaften. Allerdings sind die Kreationen der Informatik im Gegensatz zu anderen technischen Fachrichtungen oft nicht unmittelbar fassbar. Im Bereich der Computergrafik hat man vielleicht schöne Visualisierungen als Forschungsergebnisse, aber in meinem Bereich, der Informationssicherheit, ist vieles nicht direkt sichtbar.

Was würden Sie einer Schülerin raten, die sich noch nicht sicher ist, ob sie Informatik studieren soll?
Das Schnupperstudium besuchen! Und dann mit jemandem sprechen, der oder die selber Informatik studiert oder studiert hat. Ich hatte vor dem Studium Kontakt mit einer Studentin aus einem höheren Semester, die mir Tipps gab und meine Fragen beantwortete. Und natürlich sollte man sich nicht von Meinungen aus dem Umfeld abschrecken lassen, sondern es selber ausprobieren. Wenn es im Grossen und Ganzen stimmt, wird man mit Herausforderungen fertig.

Über Professor Christina Pöpper

Christina Pöpper hat an der ETH Zürich Informatik mit Astrophysik im Nebenfach studiert und später am Institut für Informationssicherheit doktoriert. Sie arbeitete zwei Jahre lang bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und war Assistenzprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2016 ist sie Tenure-Track-Assistenzprofessorin für Computer Science (mit Schwerpunkt Informationssicherheit) an der New York University Abu Dhabi.

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