Fähigkeiten fürs 21. Jahrhundert spielerisch erlernen

Computational Thinking und Programmierkenntnisse werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Dr. Stéphane Magnenat und das Team des Game Technology Center der ETH Zürich arbeiten an neuen Wegen, Kindern das Programmieren beizubringen und dieses Erlebnis bereichernd, kreativ und spielerisch zu gestalten.

Kinder spielen und lernen mit Thymio
Roboter, sowohl physische als auch virtuelle, eignen sich auszeichnet, um jüngeren Kindern Computational Thinking zu vermitteln.

Wir leben in einer zunehmend digitalisierten Welt. Wir können uns kaum noch vorstellen, alltägliche Handlungen, etwa ein Hotel buchen oder ein Konzertticket kaufen, ohne Computer durchzuführen, sei es ein Desktop-PC, ein Laptop oder ein mobiles Gerät wie ein Smartphone oder ein Tablet. Aber die Digitalisierung beeinflusst unsere Welt noch viel tiefer. Die Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft wie Abstimmungen, persönliche und medizinische Daten und der Zugang zu unvoreingenommenen Informationen befinden sich derzeit mitten im Übergang zu einer vollständig digitalisierten Welt. Diese Veränderungen werden tiefgreifend sein, ob zum Guten oder zum Schlechten. Um sicherzustellen, dass sich die digitale Technologie positiv auf die Gesellschaft auswirkt, ist es wichtig, dass die Menschen von morgen ihre Grundlagen verstehen – eine Fähigkeit, die man als Computational Thinking bezeichnet. Daher ist es sehr wichtig, diese Fähigkeit in der Primar- und Sekundarschule zu vermitteln, und nicht erst an Universitäten, die nur von einem Teil der Bevölkerung besucht werden.

Es gibt viele Möglichkeiten und Initiativen, Computational Thinking zu vermitteln, sei es mit Computern, anderen elektronischen Geräten oder sogar Spielen auf Papier. Ein wesentlicher Bestandteil bleibt jedoch die Fähigkeit zu programmieren, d. h. eine Reihe von Bausteinen logisch zusammenzusetzen, um ein Verhalten der Informationsverarbeitung und eine Reaktion auf Informationen zu definieren. Bei jüngeren Kinder lässt sich das am besten durch die Programmierung beweglicher Roboter umsetzen. Roboter sind physische Objekte, deren Verhalten sich durch einfache Bewegungsabläufe erklären lässt, und sie verfügen über Sensoren, die eine greifbare Realität wahrnehmen und eine konkrete Beschreibung der Logik der Informationsverarbeitung ermöglichen.

Bessere Zugänglichkeit mit virtuellen Robotern

Ein solcher Roboter ist Thymio. Entwickelt an der EPFL im Team von Professor Francesco Mondada und kommerzialisiert von der gemeinnützigen Vereinigung Mobsya, ist dieses Open-Source-Produkt auch für kleine Kinder geeignet. Ein Schlüsselelement von Thymio ist seine visuelle Programmiersprache (VPL). Damit lässt sich das Verhalten des Roboters vorschreiben, indem man Symbole zusammenstellt, die einerseits Ereignisse aus der realen Welt, andererseits Aktionen, die der Roboter bei diesen Ereignissen ausführen kann, repräsentieren. Diese kinderfreundliche Programmiersprache wurde von Dr. Stéphane Magnenat und Kollegen am Autonomous Systems Lab von Professor Roland Siegwart an der ETH entwickelt.

Ein Kind benutzt die visuelle Programmiersprache, um einen Thymio-Roboter am Computer zu programmieren.
Mit der visuellen Programmiersprache (VPL) lassen sich Roboter wie Thymio ganz einfach programmieren, ohne dass Kinder komplizierte Befehle eintippen müssen.

Stéphane Magnenat, jetzt am ETH Game Technology Center (GTC) tätig, freut sich, die aktuelle Veröffentlichung der externe Seite Aseba Version 1.6vorzustellen, die das Thymio VPL als Komponente bereitstellt. Aseba ist ein Open-Source-Software-Framework, das es Anfängern ermöglicht, Roboter einfach und effizient zu programmieren. Aseba, das im Rahmen der Doktorarbeit von Magnenat an der EPFL entwickelt und während seiner Tätigkeit an der ETH weiter ausgebaut wurde, ist der Softwarekern des Thymio-Roboters und steht auch für andere Bildungsroboter wie externe Seite e-puck oder externe Seite Elisa zur Verfügung.

Das Highlight der neuen Software-Version ist ein Robotersimulator mit einem virtuellen Thymio und e-puck. Dieser ermöglicht es den Kindern, Robotik und Programmieren zu lernen, auch wenn kein Roboter verfügbar ist. Der Simulator basiert auf dem Open-Source-Robotersimulator externe Seite Enki, ebenfalls von Magnenat und Kollegen, mit Beiträgen vom Forschungsinstitut Inria Bordeaux. In einer gemeinsamen Arbeit der EPFL und ETH wurde dieser Simulator genutzt, um das Erlernen der Programmierung spielerisch zu gestalten. Dafür wurde im Rahmen der visuellen Programmierung von Robotern das Konzept der strukturierten Tests eingeführt. Strukturierte Tests machen es möglich, ein intelligentes Tutorsystem aufzubauen, das in der Lage ist, die Schüler auf dem Weg zum Erlernen immer komplexerer Programmierkonstrukte zu führen. Diese Studie wurde in einem auf der ACM ITiCSE 2017 angenommenen Paper mit dem Titel «Improved mobile robot programming performance through real-time program assessment» beschrieben. Das Paper ist unter externe Seite diesem Link verfügbar.

Eine neue Art, Programmieren zu lernen

Thymio ist ein hervorragendes Werkzeug, um Kinder in die Programmierung einzuführen. Seine physische Natur schränkt jedoch seine Skalierbarkeit ein, da beim Bau und beim Kauf Kosten anfallen und er nur innerhalb der physischen Grenzen seiner Sensoren und Motoren wahrnehmen und handeln kann. Um diese Einschränkungen zu überwinden, arbeiten Stéphane Magnenat und seine Kollegen am GTC am Game Creator, einem interaktiven Tool zur Erstellung von Videospielen. Dieses Tool baut auf dem Grundsatz der Augmented Creativity auf, d. h. der Nutzung von Augmented Reality zur Förderung der Kreativität bei Kindern, ein Konzept, das ursprünglich von Professor Robert Sumner und seinem Team von Disney Research Zürich entwickelt wurde. Die Forschenden kombinieren diese Idee mit den Programmiermöglichkeiten der visuellen Programmiersprache, sodass Kinder ihre eigenen Videospiele visuell programmieren und dabei ihre eigens gezeichneten Bilder für Spielfiguren verwenden können.

Screenshot des virtuellen Thymio
Mit der aktuellen Software-Version von Aseba können Kinder auch dann Programmieren lernen, wenn kein Roboter vorhanden ist - mit dem virtuellen Thymio.

Der Game Creator befindet sich derzeit in der Prototypen-Phase. Tests im Rahmen der Bieler Fototage 2018 und am Rande des Weltwirtschaftsforums im vergangenen Januar weckten grosses Interesse und eine hohe Motivation bei Kindern und demonstrierten das Potenzial der Technologie. Daher forscht das GTC aktiv zu diesem Thema und verbindet es mit personalisiertem und adaptivem Tutoring. Die Erfindung des Game Creators wurde für den ETH Spark Award 2019 nominiert. Darüber hinaus wird ein Spin-off des Labors, die von Magnenat gegründete externe Seite Enlightware GmbH, das Konzept kommerziell weiterentwickeln. Das Ziel des Spin-offs ist ein komplettes Redesign und Rewrite der Software, um von Anfang an die Einschränkungen der Zugänglichkeit, die Unterstützung einer Vielzahl von Geräten, einen optimierten Energieverbrauch und andere für ein Produkt notwendige Schlüsselelemente zu berücksichtigen. Dies wird es dem Game Creator ermöglichen, eine maximale Anzahl von Menschen zu erreichen und damit einer neuen Generation von Kindern und Jugendlichen die Grundlagen der Programmierung und des Computational Thinking auf eine kreative Art und Weise beizubringen.

Aseba und Thymio

Zwei Thymio-Roboter

Aseba ist die Kern-Softwaretechnologie, auf der der Lernroboter Thymio® basiert. Diese Technologie umfasst eine interaktive Programmierumgebung, eine Textprogrammiersprache und eine visuelle Programmiersprache (VPL) für den Roboter Thymio. Aseba wurde ursprünglich von Dr. Stéphane Magnenat während seiner Doktorarbeit in der Gruppe MOBOTS von Professor Francesco Mondada an der EPFL entwickelt und an der ETH Zürich mit Beiträgen der Inria, EPFL, Vereinigung Mobsya und anderen Personen weiterentwickelt. Die visuelle Programmiersprache (VPL) wurde von Dr. Magnenat und Kollegen im Autonomous Systems Lab von Professor Roland Siegwart an der ETH Zürich entwickelt. Die gemeinnützige Vereinigung Mobsya wurde von Dr. Magnenat und Kollegen aus der Gruppe MOBOTS der EPFL gegründet, um die Entwicklung des Roboters Thymio zu fördern und das Game Technology Center der ETH bei der Arbeit an Aseba finanziell zu unterstützen.

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