«Es begann mit einem Lego-Roboter»

25.05.2020 | Anna Ettlin

Unternehmerin, App-Entwicklerin, ESOP-Stipendiatin: Mit nur 24 Jahren hat Larissa Laich bereits einiges erreicht. Ihre Neugierde und die Begeisterung für ihr Fach prägen die Laufbahn der jungen Informatikerin seit den ersten Programmierversuchen in der Schule bis hin zum Masterabschluss an der ETH Zürich.

Vergrösserte Ansicht: Larissa Laich beim Klettern
Als Larissa Laich keine passende Kletterapp fand, programmierte sie kurzerhand eine.

Larissa Laich klettert gerne. Um ihre Aufstiege zu loggen, suchte sie nach einer passenden App für ihre Apple Watch – und merkte, dass es keine gibt. Jogging oder Schwimmen können mit der Smartwatch problemlos erfasst werden. Kletterer müssen ihre Routen und Statistiken hingegen manuell in ein Logbuch eintragen. Das konnte die Masterstudentin am Departement Informatik der ETH Zürich nicht hinnehmen, also entwickelte sie ihre eigene App.

Bei ihrem Vorhaben war Laich nicht allein: Gemeinsam mit ihrem Schulfreund Frederik Riedel entwickelt sie bereits seit der Schulzeit Apps. Also suchten die beiden Informatiker nach Wegen, mit den Sensoren der Uhr die Anzahl und Geschwindigkeit der Aufstiege sowie die zurückgelegten Höhenmeter automatisch zu erfassen. Damit die App zuverlässig funktionieren konnte, war technische Geschicklichkeit im Bereich Signal Processing gefragt. Laich meisterte die Herausforderung erfolgreich. Weniger als zwei Jahre später wurde ihre App Redpoint zum Launch eines neuen Modells der Apple Watch auf der Webseite von Apple gefeaturet.

Inspiration aus dem Silicon Valley

Die erste Berührung mit der Informatik hatte Larissa Laich mit 15 an ihrem Gymnasium in der Nähe von Stuttgart. «Wir haben im Unterricht einen Lego-Roboter programmiert», erinnert sie sich. Aus Spass begann sie danach, gemeinsam mit Frederik Riedel ihre ersten Apps für iOS zu entwickeln. «Wir konnten die selbst programmierten Apps auf unseren eigenen Geräten anwenden. Das hat mich motiviert», sagt Laich.

Vergrösserte Ansicht: An der WWDC in Kalifornien konnte Laich grosse Namen aus dem Silicon Valley kennenlernen – zum Beispiel den Apple-CEO Tim Cook.
An der WWDC in Kalifornien konnte Laich grosse Namen aus dem Silicon Valley kennenlernen – zum Beispiel den Apple-CEO Tim Cook.

Das neue Hobby packte die beiden Schüler dauerhaft. Kurz vor dem Abitur bewarben sie sich erfolgreich für das WWDC Scholarship von Apple, ein Programm, mit dem der Technologiegigant begabte Schüler und Studierende an seine jährliche Worldwide Developers Conference einlädt. Zwischen den Abiturprüfungen reisten die Freunde nach Kalifornien, wo sie Apple-Ingenieure kennenlernten und grossen Namen aus dem Silicon Valley begegneten. «An der WWDC haben wir gesehen, was für ambitionierte und leidenschaftliche Menschen in der Informatik arbeiten», sagt Laich. Für sie war der Entscheid gefällt: Sie würde Informatik studieren.

Gesagt, getan: Laich studierte Softwaretechnik an der Universität Stuttgart. Gemeinsam mit Riedel entwickelte sie weiterhin Apps. 2015 gründeten die Freunde ihre Firma Frogg GmbH, um ihrer Tätigkeit einen rechtlichen Rahmen zu geben. Das Portfolio des Start-ups besteht zu einem grossen Teil aus Bildungsapps. «Wir haben Apps programmiert, die wir selbst gebraucht haben», erklärt Laich die Motivation hinter Frogg. Zwischendurch nahm das Duo aber auch externe Aufträge an – allerdings nur solche, bei denen sie etwas lernen konnten. «Wenn man des Geldes wegen langweilige Aufträge annimmt, bekommt man immer mehr langweilige Aufträge. Dadurch, dass wir sehr selektiv waren, haben wir interessante Menschen kennengelernt und gelangten an weitere fordernde Projekte», erklärt Laich.

Starke Lehre in Zürich

Nach dem Bachelorabschluss entschied sich Laich für einen Master in Informatik an der ETH Zürich. Sie bewarb sich erfolgreich auf ein ESOP-Stipendium (Excellence Scholarship & Opportunity Programme) der ETH Foundation, welches jährlich an talentierte Masterstudierende vergeben wird, die zu den besten 2–3 Prozent ihres Jahrgangs gehören. Laich ist überzeugt, dass ihre unternehmerische Tätigkeit, zusätzlich zu den sehr guten Leistungen im Bachelorstudium, ihr die Unterstützung gesichert hat. «Wenn sich jemand auch ausserhalb des Studiums engagiert, sieht man gleich, dass er oder sie vom Fachgebiet begeistert ist», sagt sie.

Vergrösserte Ansicht: Screenshot der Kletterapp Redpoint auf der Apple Watch und auf dem Smartphone
Bei ihrer Kletterapp Redpoint setzte Laich das im Studium Gelernte direkt in die Praxis um, zum Beispiel im Bereich Signal Processing.

An Begeisterung hat es Laich tatsächlich nie gemangelt. Neben dem Studium und dem Start-up absolvierte sie sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium mehrere Praktika, auch bei so namhaften Firmen wie Google und Apple. Den zusätzlichen Aufwand empfand Laich nicht als Belastung – ihre Freude am Fach trug sie durch stressige Zeiten. «Manchmal hatte ich Zeitprobleme, aber das ist im Studium normal», sagt sie. «Dafür konnte ich die Theorie gleich in der Praxis anwenden. Ich habe bei meinen Projekten viel fürs Studium gelernt – und umgekehrt.»

So hat sich die Informatikerin bei der Arbeit an Redpoint viel mit Signal Processing auseinandergesetzt. «Hier waren einige Kurse aus dem Masterstudium sehr hilfreich», sagt sie. «Einige Inhalte aus dem Computer-Vision-Kurs habe ich gleich in unsere Apps implementiert.» Für ihre Masterarbeit wählte sie ein anderes Thema, Program Synthesis, also die automatische Generierung von Programmcode mit maschinellem Lernen. «Es ist gut, unterschiedliche Themengebiete zu kennen», sagt Laich.

Für die ETH Zürich entschied sich Laich aus mehreren Gründen. Der gute Ruf der Hochschule, die Forschungsgebiete, persönliche Kontakte, die Freude an der Stadt Zürich und die Nähe zu ihrer Heimat haben alle eine Rolle gespielt. Das Ansehen der ETH, aber auch das hohe Niveau der Lehre halfen ihr bei den Bewerbungen auf heiss begehrte Praktikumsstellen. «Gerade bei den grossen Tech-Firmen hilft zum Beispiel das Algorithms Lab von Prof. Angelika Steger sehr», sagt Laich. Die fordernden Kursinhalte seien eine gute Übung für die Aufgaben, die in Interviews und im Arbeitsalltag gestellt werden. «Ein ETH-Studium ist hoch angesehen», merkt Laich an. «Aber die Zeit, die ich an der ETH verbracht habe, und die Menschen, die ich hier kennenlernen konnte, sind noch wertvoller als der Abschluss selbst.»

Kontakte auf der ganzen Welt

Ihr Masterstudium schloss Laich Ende 2019 erfolgreich ab. Ein Doktorat zu einem späteren Zeitpunkt schliesst sie nicht aus. Zunächst hat sie aber eine Stelle als Software Engineer bei Oculus in Zürich angetreten. Parallel dazu will Frogg GmbH wachsen und weitere Mitarbeitende einstellen – beispielsweise um eine Android-Version von Redpoint zu entwickeln. Der Erfolg von Frogg gründet nicht zuletzt auf einem starken Netzwerk. «Wir netzwerken nicht gezielt, lernen aber durch unsere Projekte interessante Menschen kennen», erklärt Laich. So auch an der WWDC, oder am Apple Entrepreneur Camp, einer zweiwöchigen Veranstaltung von Apple in Kalifornien für vielversprechende Start-ups, an der Frogg 2019 teilnehmen konnte. «Auch an der ETH und bei ESOP habe ich viele motivierte Leute kennengelernt. Das ist eine schöne Gemeinschaft», sagt Laich.

«Ein ETH-Studium ist hoch angesehen. Aber die Zeit, die ich hier verbracht habe, und die Menschen, die ich kennenlernen konnte, sind noch wertvoller als der Abschluss selbst.»Larissa Laich

Die junge Informatikerin engagiert sich, um auch anderen die Möglichkeit zum Kontakte knüpfen zu geben. Zu Studienzeiten organisierte sie Events für die Kommission für Masterstudierende ohne ETH-Bachelor (MoEB) des Vereins der Informatikstudierenden (VIS). Heute ist sie Teil des Organisationskomitees der Konferenz Women in Data Science Zurich, welche in diesem Jahr zum dritten Mal stattfinden soll. «Es ist wichtig, dass man in der Informatik erfolgreiche Frauen sieht», sagt sie. Die häufig gestellte Frage «Wie fühlt man sich als Frau in der Informatik?» empfindet Laich allerdings als ermüdend. «Ich höre das sehr oft an Konferenzen. Ich fühle mich nicht anders als alle anderen. Ich finde, der Fokus sollte auf den Errungenschaften liegen und nicht auf dem Geschlecht.» 

Gleichzeitig gibt Laich zu, dass sie auch ein wenig Glück hatte. Ihre Eltern und ihr Umfeld haben sie immer unterstützt. Sie hatte nie einen Grund, an ihrer Berufswahl zu zweifeln. «Ich finde die Informatik äusserst spannend», sagt sie. «Zudem bekommen wir täglich E-Mails aus der ganzen Welt mit Feedback zu unseren Apps. Es ist unglaublich motivierend zu sehen, wie meine Arbeit auch Menschen aus fernen Ländern wie Japan, Australien oder den USA erreicht.»

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