Ein Stipendium voller besonderer Eindrücke
Das «Summer School Research Fellowship»-Programm bietet Studierenden aus aller Welt die Möglichkeit, erste Forschungserfahrungen in verschiedenen Bereichen der Informatik zu sammeln. Vier Studierende beschreiben ihre Forschungserfahrungen und persönlichen Highlights.
Praktische Erfahrungen in der Forschung sammeln und Kontakte mit Gleichgesinnten knüpfen: Das «Summer Research Fellowship»-Programm (SSRF) der ETH Zürich bietet Studierenden aus aller Welt jedes Jahr die Möglichkeit, erste Erfahrungen in der Forschung zu sammeln. Das vom Departement Informatik angebotene Stipendium dauert zwei Monate und findet während der Sommermonate statt. Von Juli bis August können die ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber als Teil einer Forschungsgruppe des Fachbereichs ein Projekt verfolgen, das ihren Interessen entspricht. Dies beinhaltet die tägliche Zusammenarbeit und Interaktion innerhalb der jeweiligen Forschungsteams.
Die Gaststudierenden haben aber auch die Möglichkeit, mit den anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten in Kontakt zu treten. Sie besuchen interessante Orte in der Umgebung von Zürich und in der restlichen Schweiz, wie beispielsweise das CSCS in Lugano oder das Lindt Home of Chocolate, und erleben auf Wanderausflügen die schöne Berglandschaft.
Zwischen Stadttouren und natürlicher Sprachverarbeitung
20 Studierende aus der ganzen Welt nehmen am diesjährigen Programm teil. Eine von ihnen ist Sasha Mikushova. Sie kommt aus der Ukraine und macht derzeit ihren Bachelor in Computermathematik an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew. «Es ist eine Art Mischung aus Mathematik und Programmierung», sagt Sasha.
Sie erfuhr vom SSRF-Programm durch eine Freundin, die derzeit an der TU Wien studiert. «Sie hat mir davon erzählt, und ich bin ihr sehr dankbar, dass sie mich darauf aufmerksam gemacht hat», sagt sie.
Während ihres zweimonatigen Stipendiums arbeitet Sasha im Forschungsbereich der natürlichen Sprachverarbeitung. Genauer forscht sie an einem Datensatz namens «MathDial», der von Entwicklern der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Institutionen weltweit erstellt wurde. «Er besteht aus Dialogen zwischen einer Lehrperson und ihren Schülerinnen und Schülern. Sie müssen in diesem Kontext eine Matheaufgabe lösen», erklärt Sasha. «Um die Interaktion zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern zu verbessern, erstelle ich einen Datensatz mit klassifizierten Äusserungen der Lehrperson. Später werde ich ein Modell trainieren, das in der Lage ist, die Äusserungen des Lehrers selbständig zu bewerten», erläutert sie weiter.
«Ich bin meiner Freundin sehr dankbar, dass sie mich auf das Stipendium aufmerksam gemacht hat!»Sasha Mikushova
Neben der täglichen Forschung haben ihr auch die verschiedenen Aktivitäten, denen die Stipendiatinnen und Stipendiaten nachgehen konnten, gut gefallen. «Ich fand es sehr schön, eine Tour durch Zürich und die Altstadt zu machen», sagt sie. Es hat Sasha sogar so gut gefallen, dass sie die Tour später mit einigen ihrer Freunde auf eigene Faust wiederholt hat.
Wie man ein LLM entschlüsselt
Sun Luze, der ursprünglich aus Shanghai stammt, ist ebenfalls angetan von den verschiedenen Aktivitäten, die das Stipendium bietet. «Unsere Wanderungen haben mir sehr gut gefallen», sagt er begeistert. Sun Luze studiert derzeit Systemtechnik an der University of Pennsylvania. Zuvor machte er seinen Bachelor an der Universität Bristol in Grossbritannien. Nun verbringt er zwei Monate in Zürich. «Ich kannte die ETH Zürich bereits gut, weil einige meiner Freunde hier studiert haben und sie einen sehr guten akademischen Ruf in der Informatik besitzt», sagt Sun. Viel Forschungserfahrung konnte er bislang noch nicht ausweisen, weshalb er ein Forschungsprojekt mit einem Professor verfolgen wollte. «Ich wollte austesten, wozu ich in der Lage bin», sagt er.
Seine ersten Forschungserfahrungen sammelt Sun im Bereich der Informations- und Systemsicherheit. «Ich war an der Erstellung eines Benchmarks für ein grosses Sprachmodell beteiligt. Wir wollen die Nützlichkeit des Modells nach einem Jailbreak testen», erklärt er. Wenn einem grossen Sprachmodell (LLM) wie ChatGPT eine besonders heikle Frage gestellt wird (zum Beispiel: Wie baue ich eine Bombe?), gibt das LLM aus Sicherheits- und Datenschutzgründen normalerweise keine Antwort. «Aber mit einem Jailbreak kann man das LLM in die Lage versetzen, gefährliche oder schädliche Inhalte zu produzieren», sagt Sun.
«Ich wollte austesten, wozu ich in der Lage bin.»Sun Luze
Seine Forschungsgruppe entfernt die Nutzungsbestimmungen eines fein abgestimmten LLM und will herausfinden, ob die Genauigkeit bei der Beantwortung einer Frage wieder auf das Niveau eines unabgestimmten Modells gebracht werden kann. «Wir müssen viele Experimente durchführen, um zu sehen, ob die Genauigkeit des LLM nach einer Methode des «Jailbreakings» steigt oder sinkt», sagt er. Sun hat die Atmosphäre innerhalb seiner Forschungsgruppe sehr geschätzt. So sehr, dass er darüber nachdenkt, sich nächstes Jahr für eine Doktorandenstelle an der ETH Zürich zu bewerben. «Das Stipendium hat mir sehr interessante Erfahrungen gebracht und definitiv meinen Horizont erweitert.»
Das Innenleben einer Forschungsgruppe erleben
Auch Josef Schönberger aus München geniesst es, so viele neue Erfahrungen zu sammeln. «Es ist sehr interessant, mit dem Innenleben einer Forschungsgruppe in Kontakt zu kommen», sagt er. «Meine Betreuerinnen und Betreuer sind sehr freundlich und lassen mich meine eigenen Ideen verfolgen. Das weiss ich sehr zu schätzen!» Josef macht gerade seinen Masterabschluss in Informatik an der Technischen Universität München. Einige seiner Freunde erzählten ihm vom SSRF-Programm, weil sie davon in ihrem eigenen Uni-Newsletter gelesen hatten. «Ich habe sowieso schon eine Weile mit dem Gedanken gespielt, an die ETH Zürich zu gehen, da sie als Universität hoch angesehen ist und in den Bereichen Forschung betreibt, die mich interessieren», sagt Josef.
Während seines Stipendiums arbeitet Josef in der Systems Group auf dem Gebiet des Cloud Engineering. Sein Forschungsteam entwickelt derzeit eine Plattform für Cloud-Software, insbesondere Function-as-a-Service. «Die Plattform gibt eine eindeutige Struktur für die Software eines Kunden vor. Dies ermöglicht der Software, Kundenanfragen konsistent und schnell zu bearbeiten. Letztendlich führt dies zu einer garantiert reaktionsschnellen Endbenutzererfahrung, unabhängig von der aktuellen Serverauslastung», erklärt er.
«Meine Betreuerinnen und Betreuer sind sehr freundlich und lassen mich meine eigenen Ideen verfolgen.»Josef Schönberger
Seine Aufgabe ist es, die Plattform mit einer ähnlichen Software zu vergleichen, die von Google entwickelt wurde. «Ich interessiere mich besonders für die Leistungsaspekte. Aber auch die Sicherheit wird in den kommenden Wochen eine wichtige Rolle spielen», meint Josef.
Durch einen Algorithmus Krebs besser verstehen
Teodora Kovacevic geniesst ihren Forschungsaufenthalt an der ETH Zürich ebenfalls in vollen Zügen. Nachdem sie in Deutschland und Bosnien gelebt hatte, zog sie nach Rom, um ihren Bachelor in Bioinformatik zu machen. «Aber ich verfolge die ETH Zürich schon seit langem. Und dann habe ich die Ausschreibung für das Stipendium gesehen und war von der Auswahl an Labors begeistert, die an dem Programm beteiligt sind. Ich habe mich sofort entschlossen, diese Forschungsmöglichkeit zu nutzen», sagt sie.
Auch während ihres ETH-Aufenthalts arbeitet Teodora auf dem Gebiet der biomedizinischen Informatik. «Die Schnittstelle zwischen Informatik und Biologie hat mich schon immer sehr interessiert», betont sie. Während ihres Stipendiums versucht ihre Gruppe, einen Algorithmus zu entwickeln, der die Entwicklung von Krebszellen simulieren kann. «Es ist sehr schwierig, die Daten von Krebszellen zu erhalten, weil sie sich so schnell verändern und teilen können», erklärt Teodora.
«Als ich die Auswahl an Laboren gesehen hatte, die an dem Programm beteiligt sind, habe ich mich sofort für diese Forschungsmöglichkeit entschlossen.»Teodora Kovacevic
Deshalb wollten sie und ihr Team die biologischen Prozesse simulieren, die in echten Organismen ablaufen, und diese Informationen in einem Computer umsetzen. «Auf diese Weise kann ein Computer verstehen, was in den Zellen tatsächlich passiert, und diese Prozesse anhand der Daten, die wir erhalten, umsetzen», erläutert Teodora. Für sie fühlt sich das Arbeiten an der ETH Zürich genauso an, wie sie es sich immer vorgestellt hat. «Hier zu sein und diese Art von Forschung betreiben zu können, zeigt mir, dass Träume tatsächlich wahr werden können», sagt sie.
Mehr Informationen
- ETH Student Summer Research Fellowship
- externe Seite Fotogalerie SSRF 2024