«Bei einer Forschungskarriere spielt das Glück immer eine Rolle»
In dieser Interviewserie sprechen wir mit drei Personen, die sich nach dem Informatikstudium für eine akademische Karriere entschieden haben und mittlerweile als Professorinnen und Professoren arbeiten. Im ersten Teil erzählt Dennis Hofheinz, warum er sich für diesen Weg entschieden hat und welche Hürden er überwinden musste.
Dieses Interview ist Teil einer dreiteiligen Serie über Menschen, die sich nach ihrem Informatikstudium für eine akademische Laufbahn entschieden haben und mittlerweile als Professorinnen und Professoren arbeiten.
Teil 1: «Bei einer Forschungskarriere spielt das Glück immer eine Rolle» (Professor Dennis Hofheinz)
Teil 2: «Wenn man das bewältigt, kann einen nichts aufhalten» (Professorin Niao He)
Teil 3: «Ich schätze die Freiheit, auf meine angeborene Neugierde hören zu können» (Professorin Ana Klimovic)
Welche Aspekte Ihrer Arbeit als Professor im Bereich Kryptographie gefallen Ihnen am besten?
Dennis Hofheinz: Am schönsten finde ich es, mit anderen zusammen vor der Tafel zu stehen und gemeinsam Probleme zu lösen. Aber auch alleine ein Rätsel anzugehen, macht mir Spass. Wenn ich vor einer offenen Frage stehe, möchte ich herausfinden, ob sie lösbar ist. Wenn zum Beispiel zwei Leute auf einer Insel gestrandet sind und beide die letzte Kokosnuss haben möchten, dann müssten sie zur Einigung eine Münze werfen. Leider hat keine der beiden Personen eine Münze in der Tasche. Ist es möglich, dass sie sich allein durch Gespräche darüber einig werden können, wer die Kokosnuss bekommt? Für solche Rätsel eine Lösung zu suchen, finde ich faszinierend, selbst wenn es auf den ersten Blick keine praktischen Anwendungen dafür gibt. Die Belohnung besteht für mich darin, dass ich neue Erkenntnisse gewinne. Es ist spannend, meine Ergebnisse dann in wissenschaftlichen Arbeiten zu veröffentlichen. So kann ich sehen, wie andere auf meinen Ideen aufbauen und sie möglicherweise in praktische Lösungen umsetzen.
Wann haben Sie sich zum ersten Mal für die Informatik interessiert?
Mein Vater besass einen VC-20-Schachcomputer, den ich als Kind schnell in Beschlag genommen hatte. Auf diesem Gerät konnte man nicht nur Schachfiguren hin und her bewegen, sondern auch eigene Programme schreiben. Dadurch, dass dieser Computer nicht so komplex war wie die heutigen Systeme, war er für mich sehr zugänglich. Von da an wuchs mein Interesse an Computern stetig weiter. Nach der Grundschule hatte ich Informatik als Wahlfach. Dort lernten wir viel über Programme und deren Funktionsweisen. Später studierte ich Informatik an der Universität; und auch nach meinem Abschluss beschäftigte ich mich weiterhin damit, weil es mir bis heute Spass macht und mich fasziniert.
Was hat Sie dazu bewogen, nach Ihrem Studium im akademischen Bereich zu bleiben?
Ich hatte viele Begegnungen mit Menschen, die ein konkretes Ziel vor Augen hatten, während ich keinen klaren Plan hatte. Ehrlich gesagt fehlte mir das Selbstvertrauen und ich habe mich nicht getraut, so weit in die Zukunft zu planen. Ich war jedoch immer bereit, neue Herausforderungen anzunehmen, wenn sich mir die Gelegenheit bot. Ausserdem dachte ich mir: Solange man mich lässt, mache ich weiter, was mir Spass macht.
Das erste Mal, dass ich eine bewusste Entscheidung treffen musste, war, als ich bereits eine feste Stelle als Professor in Karlsruhe hatte und mich entschied, an die ETH zu wechseln. Ich musste mich auf die Stelle bewerben und mit meiner Partnerin darüber sprechen. Davor wurde ich auf passende offene Stellen, wie meine Juniorprofessur in Karlsruhe oder die Postdocstelle in Amsterdam, hingewiesen; und diese Gelegenheiten habe ich ergriffen. Ich bin sehr dankbar für das Glück, dass die richtigen Stellen zum richtigen Zeitpunkt frei wurden. Bei einer Forschungskarriere spielt das Glück immer eine Rolle; und ich weiss es extrem zu schätzen, dass es bei mir geklappt hat, und bin auch manchmal selbst verblüfft darüber.
«Es gab einige grossartige Menschen, die mir geholfen haben, sowohl persönlich als auch beruflich zu wachsen. Aus ihnen habe ich mir meine eigene Forschungspersönlichkeit zusammengebaut.»Professor Dennis Hofheinz
Sie haben erzählt, dass Sie auf Jobangebote hingewiesen wurden. Gab es Mentoren oder Mentorinnen, die Sie auf diesem akademischen Weg unterstützt haben?
Es gab einige grossartige Menschen, die mir geholfen haben, sowohl persönlich als auch beruflich zu wachsen. Aus ihnen habe ich mir meine eigene Forschungspersönlichkeit zusammengebaut. Am einflussreichsten waren dabei die Personen, mit denen ich in Karlsruhe direkt zusammengearbeitet habe. Auch von Ronald Cramer konnte ich während meiner Zeit als Postdoc in seiner Forschungsgruppe viel lernen. Auf meinem Weg lernte ich weitere Forschende aus der Community kennen, darunter Ueli Maurer und später Kenny Paterson, die mir viel beibrachten und zu denen ich aufschaute. Ich schätze mich sehr glücklich, dass die beiden heute meine Kollegen sind.
War das auch der entscheidende Grund, warum Sie an die ETH gekommen sind?
Ja, ich habe mich vor allem wegen der Leute entschieden, von Karlsruhe an die ETH Zürich zu wechseln. Es ist nicht so, dass ich in Karlsruhe unglücklich war. Ich hatte dort eine Festanstellung als Professor und es war ein tolles Umfeld. Aber an der ETH gibt es noch mehr Weltklasse-Forschende in meinem Fachgebiet. Ausserdem wurde ich damals vierzig. Ich dachte mir zwar, dass es noch 25 Jahre so weiter gehen könnte in Karlsruhe, wollte dies aber später nicht bereuen. Also ergriff ich die Chance, etwas Neues auszuprobieren, und bewarb mich in Zürich.
Gab es auch Herausforderungen, die Sie in Ihrer Forschungskarriere überwinden mussten?
Ja, zu den Herausforderungen gehören sicher die ersten grossen Kurse, die ich alleine gehalten habe. Ich unterrichtete in Karlsruhe einen Einführungskurs über Algorithmen mit 600–700 Studierenden im Audimax. Während der ersten Lektion war der Vorlesungssaal so voll, dass sogar Leute im hinteren Teil des Raumes standen. Da war es anfänglich schon herausfordernd, meine Nervosität zu überwinden. Aber ich habe festgestellt, dass die Kommunikation mit den Studierenden mir dabei geholfen hat. Es ist entscheidend, zu verstehen, wie die Studierenden denken und wie man mit ihnen kommunizieren muss. Dabei ist nicht nur die sachliche Inhaltsvermittlung, sondern auch das Zwischenmenschliche entscheidend. Und es braucht Zeit, sich diese Fähigkeiten anzueignen. Jede und jeder neue Dozierende muss da am Anfang durch.
Im vergangenen Jahr wählten die Informatikstudierenden Sie zu einem ihrer Lieblingsdozierenden. Das zeigt auch, dass es Ihnen gelungen ist, diese Hürde zu überwinden. Was bedeutet denn guter Unterricht für Sie?
Für mich wird gute Lehre in erster Linie daran gemessen, wie viel Wissen und Verständnis die Studierenden während des gesamten Studiums erwerben. Es geht nicht nur darum, technische Fertigkeiten zu beherrschen, sondern auch darum, zu verstehen, wie die unterschiedlichen Themen in einen grösseren Forschungszusammenhang passen. In Bezug auf die einzelnen Lehrveranstaltungen finde ich es für einen guten Kurs unerlässlich, die Interaktion zu fördern und offen für die Fragen der Studierenden zu sein. Es ist toll, wenn die Studierenden Fragen stellen und sich so am Unterricht beteiligen. Ich würde mir wünschen, dass es noch mehr Fragen und Interaktionen in meinen Kursen gäbe, und arbeite ständig daran, dies zu ermöglichen. Ich möchte keinen 90-minütigen Monolog halten. Der Dialog, das gemeinsame Brainstorming und das Nachdenken über alternative Ansätze bereiten mir am Unterrichten am meisten Freude. Es ist toll, wenn der Unterricht einen als Dozierende:n ebenfalls zum Denken anregt.
Welchen Rat würden Sie Doktorierenden und Postdocs geben, die eine akademische Laufbahn weiterverfolgen wollen?
Ich denke, das Wichtigste ist, dass man eine Richtung wählt, die einem wirklich Spass macht. Dabei sollte man ehrlich zu sich selbst sein. Wenn man sich für eine Fachrichtung oder den akademischen Weg nur wegen des Geldes, des Titels oder des Ruhms entscheidet, gibt es sicherlich einfachere und andere Möglichkeiten. Zum anderen ist es entscheidend, an die richtigen Personen zu gelangen und herauszufinden, ob die Forschungsgruppe zu einem passt. Es kann hilfreich sein, wenn man vorab mit anderen Doktorierenden oder Postdocs aus der Gruppe spricht und ihnen zum Beispiel zu ihrem Tagesablauf oder der Dynamik innerhalb der Forschungsgruppe Fragen stellt. Das hilft einem bei der Entscheidung.
Wie schaffen Sie es, Privatleben und Beruf unter einen Hut zu bringen?
Ich versuche, administrative Aufgaben von 8 bis 17 Uhr zu erledigen. Als Leiter meiner Forschungsgruppe möchte ich mit gutem Beispiel vorangehen; und vermeide es daher möglichst, an Wochenenden E-Mails an mein Team zu senden. Mit Forschungsproblemen beschäftige ich mich allerdings ständig; und da gelingt es mir weniger, abzuschalten. Bei mir ist es eher so, dass ich am Wochenende dasitze und überlege, ob ich ein Buch lesen, einen Film schauen oder einem anderen Hobby nachgehen soll; und stattdessen entscheide ich mich dann dafür, an einer Forschungsfrage herumzugrübeln. Nichtsdestotrotz achte ich darauf, dass ich mich am Wochenende erholen und Energie auftanken kann. Dann gehe ich mit meiner Partnerin zum Beispiel wandern oder ins Kino. Ausserdem hat das Tischtennisspielen in meiner Jugend eine zentrale Rolle eingenommen. Das möchte ich unbedingt wieder aufnehmen.
Was sind Ihre derzeitigen beruflichen Ziele?
Ich möchte weiterhin gute Forschung betreiben und habe einige Forschungsprobleme, die ich gerne in naher Zukunft lösen würde. Es sind Fragen, die mich schon seit einiger Zeit beschäftigen. Zum Beispiel geht es hier um die Sicherheit von kryptographischen Verfahren gegen sehr mächtige Angreifer (die z.B. viele Ressourcen oder Quantencomputing nutzen). Ausserdem möchte ich meine Aufgaben als Studiendirektor in den kommenden zwei Jahren erfolgreich meistern. Ich habe dieses Amt im Januar übernommen und lerne seitdem täglich viel dazu. Langsam, aber sicher gewinne ich einen Überblick. Wie erfolgreich ich meine Arbeit als Studiendirektor machen werde, darauf müssten wir dann in zwei Jahren gemeinsam zurückblicken.
Dennis Hofheinz beschäftigt sich in seiner Forschung mit der theoretischen Kryptographie und interessiert sich unter anderem für sogenannte Public-Key-Verschlüsselungen und digitale Signaturen. Er schloss sein Informatikstudium in Karlsruhe ab und war anschliessend als Postdoc am Centrum Wiskunde & Informatica in Amsterdam. Danach wechselte er an das Karlsruher Institut für Technologie, wo er als Juniorprofessor angestellt war. Professor Dennis Hofheinz leitet seit 2020 die Foundations of Cryptography Group am Departement Informatik der ETH Zürich. Im Januar 2024 übernahm er das Amt des Studiendirektors am Departement.
Weitere Informationen
- Dennis Hofheinz
- Foundations of Cryptography Group
- Institute for Theoretical Computer Science
- externe Seite Centrum Wiskunde & Informatica
- externe Seite Karlsruher Institut für Technologie