Willkommen, April Yi Wang
In diesem Interview gibt Professorin Wang einen kleinen Einblick in ihre Forschungsinteressen und erzählt, warum sie sich für eine akademische Karriere entschieden hat. Erfahren Sie ausserdem, welchen Ratschlag sie Informatikstudierenden mit auf den Weg geben möchte.
Im Juli 2023 wurde April Yi Wang zur Assistenzprofessorin für Educational Technology an der ETH Zürich ernannt. Zuvor hatte sie ihr Doktorat in Information Science an der University of Michigan abgeschlossen. Ihren Bachelor-Abschluss in Informatik hatte sie an der Zhejiang University in China erworben, ihren Master-Abschluss in Informatik an der Simon Fraser University in Kanada. Wangs Forschungsinteresse liegt in den interdisziplinären Bereichen der Mensch-Computer-Interaktion, der Bildungstechnologie und der Zusammenarbeit zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz (KI). Sie arbeitet daran, kollaborative, intelligente sowie auf den Menschen ausgerichtete Programmierumgebungen zu schaffen, die den sich stetig weiterentwickelnden Bildungsbereichen und Berufswelten gerecht werden.
Professorin Wang, welche Faktoren haben dazu beigetragen, dass Sie sich für die ETH Zürich entschieden haben?
Was mich an der ETH Zürich angesprochen hat, ist ihre starke Unterstützung für junge Fakultätsmitglieder bei der Einrichtung ihrer Forschungslabore. Besonders entscheidend ist dabei der exzellente akademische Ruf der ETH Zürich, der mir als Professorin den Zugang zu talentierten und motivierten Studierenden ermöglicht. Das ist für den Erfolg eines jeden Forschungslabors entscheidend. Zudem bietet die Universität erhebliche finanzielle Unterstützung, die für das Wachstum und die Nachhaltigkeit meiner Forschungsprojekte von entscheidender Bedeutung ist. Dies ermöglicht es mir, innovative Ideen und Initiativen zu erforschen. Schliesslich verfügt die ETH Zürich über eine vielfältige Gemeinschaft von Forscherinnen und Forschern, die ich als potenzielle Kooperationspartner:innen, Mentor:innen und Vorbilder sehe. Diese kooperative Atmosphäre ist sowohl für meine Forschung als auch für meine berufliche Entwicklung von immensem Wert. Persönlich mag ich auch den Standort der Hochschule. Zürich ist eine wunderschöne und sichere Stadt zum Leben. Das Klima erinnert mich an meine Heimatstadt, und die Stadt liegt in der Nähe der Berge, wo ich verschiedensten Winteraktivitäten nachgehen kann. Ausserdem bietet Zürich fantastische berufliche Möglichkeiten für meinen Partner und eine ideale Umgebung für unseren Hund.
Was hat Sie motiviert, eine akademische Laufbahn einzuschlagen?
Aufgrund meiner Neugierde für die Welt wollte ich eine akademische Karriere verfolgen. Forschung bedeutet für mich, bedeutsame und herausfordernde Fragen zu stellen und dann die Anstrengungen zu unternehmen, um Antworten und Lösungen darauf zu finden. Was mich an der akademischen Welt begeistert, ist die Gestaltungsfreiheit, meinen eigenen Weg bei der Erforschung von Fragestellungen zu gehen. Ausserdem ist es ungemein zufriedenstellend, wenn das generierte Wissen zukünftige Forschende und Tool-Designer:innen inspirieren und ihnen bei ihrer Arbeit weiterhelfen kann.
«Ich entwerfe Programmierwerkzeuge, die auf die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Benutzergruppen zugeschnitten sind.»April Yi Wang
Wo liegen Ihre aktuellen Forschungsinteressen?
Meine aktuellen Forschungsinteressen drehen sich darum, Programmierwerkzeuge benutzungsfreundlicher und effektiver zu gestalten, besonders in Anbetracht der sich stetig verändernden Anforderungen in der Bildung und Berufswelt. Bereiche wie Data Science Programming und Creative Programming entwickeln sich stetig weiter. Dadurch gibt es neue Arbeitsabläufe und Medien für Programmierumgebungen. Ich untersuche, wie sich diese Veränderungen auf die Benutzungsfreundlichkeit von Programmierwerkzeugen auswirken. Des Weiteren interessiert mich der Übergang von traditionellen persönlichen Interaktionen zu Onlineplattformen wie Zoom. Wie arbeiten Programmiererinnen und Programmierer zusammen und wie unterrichten Lehrpersonen Programmieren in diesen neuen Umgebungen? Ich erforsche auch hier die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Benutzungsfreundlichkeit verschiedener Tools. Darüber hinaus bietet die Integration von KI-unterstützter Codierung interessante Möglichkeiten, um eine intelligente Unterstützung für Programmierer:innen und Lernende bereitzustellen. Ich vertiefe mich in die Frage, wie aufkommende Technologien wie KI die Benutzungsfreundlichkeit von Programmierwerkzeugen verbessern können. Zuletzt entwerfe ich Programmierwerkzeuge, die auf die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Benutzergruppen zugeschnitten sind. Dazu gehören Kinder, die Informatikkenntnisse erlernen, Informatikstudierende, die sich auf ihre späteren Berufe vorbereiten, und Endbenutzerprogrammiererinnen und -programmierer, die sich mit domänenspezifischen Aufgaben befassen.
Was fasziniert Sie am meisten an Ihrem Forschungsbereich?
Das Gebiet der Mensch-Computer-Interaktion (HCI) konzentriert sich darauf, die menschlichen Erfahrungen mit Technologie zu verstehen und zu verbessern. Dabei interessiert mich besonders der benutzungszentrierte Ansatz, bei dem die Benutzenden eine zentrale Rolle spielen, angefangen bei der Identifizierung von Forschungsproblemen, bis hin zu den iterativen Design- und Evaluationsprozessen. Ausserdem ist HCI von Natur aus interdisziplinär und verbindet Bereiche wie Psychologie, Design, Informatik, Bildung und mehr. Dieser interdisziplinäre Aspekt bietet aufregende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. Darüber hinaus bringt das rasante Tempo des technologischen Fortschritts in diesem Feld kontinuierliche Herausforderungen mit sich. Da sich die Technologie entwickelt, werden HCI-Forschende gefordert, sich anzupassen und innovative Lösungen zu finden. Nur so können sie auf die aufkommenden Technologien reagieren, die oft direkte und greifbare Auswirkungen auf die reale Welt haben.
Können Sie uns mehr über die Auswirkung Ihrer Forschung auf die Gesellschaft erzählen?
Ich betrachte das Programmieren als einen Weg, um Computern Anweisungen zu geben, damit sie Aufgaben für Menschen ausführen. Während das Schreiben von Code eine Möglichkeit ist, mit Computern direkt zu interagieren, ist es nicht der einzige Weg. Meine Forschung zielt darauf ab, die Barrieren zu verringern, die die allgemeine Öffentlichkeit daran hindern könnten, Programmieren zu nutzen. Mein Bestreben liegt darin, Programmierwerkzeuge für eine breitere Palette von Personen zugänglich und benutzungsfreundlich machen. In unserer zunehmend technologiegesteuerten Welt ist der Besitz von Grundkenntnissen über Computertechnologie zu einer wesentlichen Fähigkeit geworden. Ich konzentriere mich darauf, skalierbare Werkzeuge zu entwickeln, die Inklusion im Informatikunterricht ermöglichen und Lernende mit unterschiedlichen Hintergründen und Kenntnissen ansprechen.
«Ich persönlich bin begeistert davon, wie KI die Bildungstechnologie revolutionieren kann, indem sie personalisierte Lernerfahrungen ermöglicht.»April Yi Wang
Gibt es potenzielle Kooperationen oder interdisziplinäre Projekte, auf die Sie sich freuen oder an denen Sie teilnehmen möchten?
Absolut! Konkret freue ich mich darauf, mit Forschenden aus den Bereichen KI, Software Engineering und Programmiersprachen zusammenzuarbeiten. Eine spannende Aussicht ist die Möglichkeit, mit dem ETH AI Center zusammenzuarbeiten, wo wir die Möglichkeiten des KI-unterstützten Programmierens im Bildungsbereich erforschen könnten. Diese interdisziplinäre Partnerschaft birgt grosses Potenzial, um das Verständnis und die Anwendung von KI im Bereich des Programmierens und der Bildung weiter voranzutreiben.
Was sehen Sie als die grössten Chancen oder Herausforderungen in diesem Bereich der Informatik?
Ich persönlich bin begeistert davon, wie KI die Bildungstechnologie revolutionieren kann, indem sie personalisierte Lernerfahrungen ermöglicht. Diese geben den Lernenden ein sofortiges und anpassungsfähiges Feedback sowie datengestützte Erkenntnisse. Allerdings gibt es neben den Chancen auch Herausforderungen, wie beispielsweise sogenannte «Halluzinationen» und ethische Bedenken in Bezug auf den Datenschutz und Voreingenommenheit. Diese Herausforderungen müssen sorgfältig angegangen werden, um die Wirksamkeit der KI-unterstützten Bildungstechnologie zu gewährleisten.
Welche konkreten Ziele haben Sie als Professorin hier an der ETH Zürich?
Meine Ziele drehen sich um die Durchführung wirkungsvoller Forschung in den Bereichen HCI und Bildungstechnologie. Ausserdem möchte ich ein gesundes und produktives Labor schaffen und Doktorierende dabei betreuen, ihre eigenen Forschungsfähigkeiten zu entwickeln, und sie auf ihre berufliche Karriere vorbereiten. Mir ist es auch wichtig, die Qualität der Ausbildung zu verbessern, indem ich Kurse entwickle und anbiete, die mit meiner Expertise übereinstimmen.
Auf welche Kurse freuen Sie sich am meisten an der ETH Zürich?
Ich freue mich darauf, den Kurs Mensch-Computer-Interaktion zu unterrichten, eine Kernkomponente des Bachelor-Programms. Mein Ziel ist es, den Studierenden ein grundlegendes Verständnis der – für die Tech-Welt relevanten – Prinzipien des benutzungszentrierten Designs zu vermitteln. Selbst wenn sie keine UX-Designer:innen werden wollen, kann das Wissen über HCI sie befähigen, Technologie verantwortungsbewusst und effektiv zu gestalten.
«Ich glaube an den Wert der Zusammenarbeit an gemeinsamen Projekten und an das Erhalten von sofortigem Feedback. Deshalb fördere ich in meinem Klassenzimmer ein kollaboratives Lernumfeld.»April Yi Wang
Haben Sie bestimmte Lehrphilosophien und -ansätze, die Ihnen als Professorin wichtig sind?
Drei pädagogische Prinzipien leiten meine Lehr- und Betreuungsphilosophie: Erstens möchte ich eine kollaborative Lernumgebung im Klassenzimmer schaffen, die Studierende dazu ermutigt, mit ihren Mitstudierenden in Kontakt zu treten. Ich glaube an den Wert der Zusammenarbeit an gemeinsamen Projekten und an das Erhalten von sofortigem Feedback. Zweitens ist es mir wichtig, theoretisches Wissen mit praktischen Übungen zu verbinden, um den Studierenden ein tieferes Verständnis des Lehrstoffs zu vermitteln. Schliesslich konzentriere ich mich darauf, die intrinsische Motivation der Studierenden zu maximieren. Ich will sie dazu inspirieren, dass sie Initiative ergreifen und ihre Fähigkeiten weiterentwickeln. Ich gestalte den Lehrplaninhalt, die Aufgaben und die Projekte so, dass sie flexibel auf die Interessen der Studierenden angepasst werden können. Ausserdem reflektiere ich mit den Studierenden ständig über bewährte Verfahren in den Bereichen Programmieren und User Experience Design und über Forschungsmethoden, damit wir dieses Wissen und die Erfahrungen auf einen breiteren Kontext übertragen können. Als Forschungsmentorin ermutige ich die Studierenden, ihre eigenen Forschungsinteressen zu pflegen und Initiative und Verantwortung für die Umsetzung von Forschungsplänen zu übernehmen. Gleichzeitig passe ich meinen Betreuungsstil ihren Bedürfnissen an.
Welchen Rat würden Sie Studierenden geben, die gerade ihre Informatikkarriere beginnen?
Seien Sie nicht schüchtern, Ihre Programmierfähigkeiten zu üben, und sprechen Sie mit Ihren erfahreneren Kolleginnen und Kollegen oder Mentorinnen und Mentoren, wenn Sie auf Herausforderungen stossen. Seien Sie auch offen für verschiedene Bereiche innerhalb der Informatik und beschränken Sie sich nicht zu früh auf ein Gebiet.
Welches Buch, welchen Podcast oder welchen Film im Zusammenhang mit Technologie oder Informatik würden Sie Studierenden sowie Kolleginnen und Kollegen empfehlen?
Ich würde ihnen den Film «Hidden Figures» ans Herz legen. Es ist ein grossartiger Film über brillante Frauen, die bedeutende Beiträge für die Anfänge der Informatik geleistet haben. Er hebt die Kraft von Problemlösungsfähigkeiten, Entschlossenheit und Leidenschaft bei der Erreichung bemerkenswerter Erfolge hervor, selbst inmitten von Widrigkeiten.
Haben Sie Hobbys oder Interessen, die Sie gerne mit der D-INFK-Community teilen möchten?
Ich habe früher viel Zeit zu Hause verbracht, Videospiele gespielt und Fernsehsendungen geschaut. Aber jetzt, da ich nach Zürich gezogen bin, bin ich ganz darauf aus, meinen Horizont mit Hobbys ohne Bildschirmzeit zu erweitern. Ich beschäftige mich seit einem Jahr intensiv mit Snowboarden und habe vor, dranzubleiben, bis ich endlich mein Anfängerinnen-Level überwinden kann. Ausserdem habe ich eine Schwäche fürs Schaufensterbummeln – es ist der einzige «Sport», bei dem ich herumlaufen kann, nicht ins Schwitzen gerate und mich trotzdem aktiv fühle.