«Mein Auslandsaufenthalt hat viel zu meiner persönlichen Entwicklung beigetragen»
Cella Florescu befindet sich im letzten Jahr ihres Bachelor-Studiums an der ETH Zürich. Trotz der Herausforderungen, die mit dem Umzug in ein neues Land während der COVID-19-Pandemie verbunden waren, nutzte sie die Gelegenheit, der Studierendenorganisation VIS beizutreten, um neue Menschen und dabei auch sich selbst besser kennenzulernen. Sie hat heute das Gefühl, dass ihre Stimme zählt, und ist stolz darauf, zu positiven Veränderungen an der ETH Zürich beizutragen.
Hallo Cella. Du absolvierst am Departement Informatik ein Bachelor-Studium. Was hast du vorher gemacht und wann hast du mit dem Studium begonnen?
Ich bin in Bukarest, Rumänien, aufgewachsen. Zunächst besuchte ich ein humanistisches Gymnasium, wo ich Deutsch auf Muttersprachenniveau lernte. Später entdeckte ich die Informatik und war davon so begeistert, dass ich beschloss, in ein Gymnasium zu wechseln, das auf Informatik und Mathematik spezialisiert war. Jetzt befinde ich mich im sechsten Semester meines Bachelor-Studiengangs an der ETH Zürich.
Ich habe im Herbstsemester 2020 begonnen, als die meisten Lehrveranstaltungen online abgehalten wurden. Anfangs war es etwas beängstigend, weil ich eben erst in ein neues Land gezogen war und niemanden kannte. Ich finde jedoch, dass die ETH mit der Situation sehr gut umgegangen ist, und meine Erfahrung war trotz der schwierigen Umstände sehr gut. Es gelang mir, meine eigene kleine Welt aufzubauen, Menschen kennenzulernen und Freundschaften zu schliessen. Als dann die Einschränkungen aufgehoben wurden, wurde es noch besser.
Was hat dich dazu bewogen, Informatik zu studieren?
Als ich etwa zehn Jahre alt war, spielte ich sehr gerne Videospiele und wollte wissen, wie man sie programmiert. Ich erfuhr, dass man dazu Informatikkenntnisse braucht, und begann mich dafür zu interessieren. Ich lernte mehr über das Programmieren und Algorithmen und über die Mathematik, die dahintersteckt. Obwohl sich mein Traum, Videospiele zu programmieren, nicht realisierte, entdeckte ich das Gebiet der Informatik als Ganzes und entwickelte eine Leidenschaft dafür. Ich begann auch, Code zu schreiben, und nahm an Programmierwettbewerben teil, was mir viel Spass machte. Daher beschloss ich, ein spezialisiertes Gymnasium zu besuchen, und nach meinem Abschluss war ich mir sicher, Informatik studieren zu wollen. Ich freute mich darauf, an der ETH Zürich zu studieren, um die Informatik aus einer wissenschaftlicheren Perspektive zu entdecken.
Wie hast du von der ETH Zürich erfahren?
Ein bisschen durch Zufall. Ich wusste bereits, dass ich im Ausland studieren wollte, und als ich meine Lehrerinnen und Lehrer nach Vorschlägen fragte, tauchte der Name ETH auf.
Ursprünglich hatte ich an englischsprachige Länder und Universitäten gedacht. Da ich jedoch auch Deutsch spreche, wurde mir bewusst, dass ich auch in Zürich studieren könnte. Ich sah mir den Lehrplan und den Aufbau des Studiums an und gewann rasch den Eindruck, dass mir die ETH Zürich gut gefallen könnte. Ich nahm an einem der Schnuppertage teil, die vom VIS organisiert wurden, und diese Erfahrung überzeugte mich, mich zu bewerben.
Wie gefällt es dir, im Ausland zu studieren?
Ich habe grosses Glück, dass mich meine Eltern ermutigt haben, meine Leidenschaft zu verfolgen, und mich unterstützen, eine gute Ausbildung zu erhalten. Ich denke, mein Auslandsaufenthalt hat viel zu meiner persönlichen Entwicklung beigetragen. Der blosse Umstand, sein gewohntes Umfeld zu verlassen und etwas völlig Neues zu wagen, ist eine Herausforderung und eine Bereicherung. Man lernt auf diese Weise sehr viel über sich selbst.
Gibt es eine Professorin, einen Professor oder eine Lehrveranstaltung, von der oder von dem du dich besonders inspiriert fühlst?
Es gibt nicht wirklich eine bestimmte Person oder Lehrveranstaltung, die mich besonders inspiriert. Was mich am meisten begeistert, ist die Vielfalt der Hintergründe, die die Menschen hier mitbringen. Wenn ich die News-Artikel unseres Departements oder «Visionen» (die vom VIS verfasste Zeitschrift) lese, habe ich das Gefühl, keinem bestimmten Muster entsprechen zu müssen, um erfolgreich zu sein. Ich habe das Gefühl, dass es hier keine wirklichen Grenzen gibt.
Du hast vor Kurzem ein Semester am MIT in Boston verbracht. Wie war diese Erfahrung?
Ich konnte im Rahmen eines Austauschprogramms, einer Vereinbarung zwischen den Hochschulen, ans MIT gehen. Dort nahm ich am Undergraduate Research Opportunity Programme teil, das es Studierenden ohne Bachelor-Abschluss ermöglicht, ein Semester lang ein Forschungspraktikum in einem Labor zu machen. Diese Praktika werden in der Regel von Doktorierenden oder Postdoktorierenden betreut und bieten den Studierenden die Möglichkeit, neue Themen in ihren Fachbereichen zu erkunden. Insbesondere ermöglichen sie den Studierenden einen Einblick in die akademische und forschungsorientierte Seite der Informatik sowie die Erfahrung, mit Professorinnen oder Professoren zusammenzuarbeiten. Ich glaube, dass mir diese Erfahrung eine gute Vorbereitung auf meine Bachelorarbeit war.
Persönlich war es eine tolle Erfahrung, erneut in ein neues, anderes Umfeld einzutauchen. Das Besondere waren für mich die Menschen, denen ich am MIT begegnete. Ich hatte das Glück, viele interessante Personen kennenzulernen und mich mit ihnen über persönliche Projekte und Möglichkeiten auszutauschen.
«Ich empfehle allen, die dazu die Möglichkeit haben, einen Auslandsaufenthalt zu machen. Man entwickelt sich weiter und lernt so viel über sich selbst!»Cella Florescu, Studentin im dritten Studienjahr des Bachelor-Studiengangs Informatik und Mitglied der VIS-Kommission Hochschulpolitik
Hast du an etwas gearbeitet, womit du dich jetzt in deiner Bachelorarbeit beschäftigst?
Nein, am MIT habe ich an formalen Verifikationen gearbeitet, während sich meine Bachelorarbeit eher auf theoretische Informatik konzentriert. Mein nächstes Ziel ist ein Master-Studium und ich glaube, es ist wichtig, verschiedene Themen und Forschungsgebiete zu erkunden, um herauszufinden, welches mich am meisten anspricht. Es gibt viele interessante Dinge in vielen verschiedenen Bereichen zu lernen. Ich will mir noch alle meine Optionen offenhalten.
Hast du mit dem Gedanken gespielt, in Boston zu bleiben, oder ziehst du in Erwägung, später für dein Studium dorthin zurückzukehren?
Derzeit plane ich, mein Master-Studium an der ETH Zürich abzuschliessen. Mir gefällt, wie hier unterrichtet wird, wie das Studium aufgebaut ist und auch die Freiheit, die wir haben, um unseren Stundenplan selbst zu organisieren. Ausserdem bevorzuge ich den theoretischen Teil der Informatik und die ETH Zürich ist auf diesem Gebiet sehr stark.
Hast du in Boston etwas gelernt, was du nach Zürich zurückbringen möchtest?
Natürlich, das ist einer der Gründe, weshalb ich nach Boston gegangen bin. Es wäre toll, etwas Ähnliches wie das Undergraduate Research Opportunity Programme hier an der ETH zu haben. Ich verstehe aber auch, dass es gewisse Herausforderungen gibt, solche Programme zu übernehmen, da das MIT mit nur ungefähr 5000 Bachelor-Studierenden deutlich kleiner ist als die ETH Zürich.
Wenn man über den Campus spaziert, merkt man bald, dass man die meisten Personen irgendwo schon einmal gesehen hat - auf Partys, bei Events, in Vorlesungen oder einfach in den Gängen der Universität. Auch das Leben der Studierenden ist deshalb recht anders. Alles befindet sich an einem Ort und es ist nicht notwendig, zwischen verschiedenen Teilen des Campus zu pendeln. Besonders gut gefallen haben mir am MIT die Diversität und die kulturelle Vielfalt. Nahezu jede Nationalität verfügt über einen Verein und es ist sehr einfach, neue Menschen und andere Kulturen kennenzulernen. Dadurch hatte ich das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, und es war einfach, Beziehungen zu anderen Studierenden aufzubauen. Es wäre interessant, zu versuchen, hier etwas Ähnliches aufzubauen. Manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass es einfacher ist, unter Informatik-Studierenden zu bleiben, in unserer eigenen kleinen Welt.
Alles in allem glaube ich jedoch, dass die meisten Dinge, die geändert werden könnten, an der ETH Zürich besser gemacht werden. Für mich sind die Hochschulpolitik und die Studierendenvertretung an der ETH vorbildlich. Sie sind gut strukturiert und organisiert.
Du bist Mitglied des VIS, des Vereins der Informatik-Studierenden der ETH Zürich. Was tust du dort?
Ich trat dem VIS in meinem ersten Semester an der ETH bei. Anfangs war ich in der Nachwuchskommission (kurz auch «NachKomm») aktiv, die sich um zukünftige Informatik-Studierende kümmert. Wir organisierten unter anderem den Schnuppertag, an dem Studieninteressente einen Tag lang zu uns kommen, um zu entdecken, wie es ist, an der ETH Informatik zu studieren. Dies war für mich eine Möglichkeit, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben, da ich selbst von diesem Angebot profitiert hatte. Später übernahm ich die Leitung der Nachwuchskommission und organisierte gemeinsam mit dem Departement mehrere Veranstaltungen wie Prestudy Events oder den Willkommenstag.
Derzeit engagiere ich mich in der Kommission für Hochschulpolitik (kurz «Hopo») mit. Es erschien mir als natürliche Fortsetzung, mich nach der Arbeit für zukünftige Studierende für die aktuellen Studierenden einzusetzen und mit dem Departement zusammenzuarbeiten, um verschiedene Massnahmen umzusetzen. In der Hopo haben wir verschiedene Taskforces und arbeiten gleichzeitig an mehreren Projekten. Die Mitglieder können an allen Arbeiten nach Belieben teilnehmen und diese unterstützen, sich um eigene Projekte kümmern oder anderen bei ihren Aufgaben helfen.
An welchen Projekten arbeitest du derzeit hauptsächlich?
Mein Schwerpunkt liegt derzeit auf der Diversity Task Force. Ziel dieses Projekts, das bereits seit einiger Zeit läuft, ist es, die ETH zu einem sichereren und einladenderen Ort für alle Studierenden zu machen. Im vergangenen Semester führten wir eine Umfrage durch und sammelten Antworten von ca. 180 Studierenden. Wir sehen uns nun die Ergebnisse an und eruieren, was wir nach Meinung der Studierenden ändern oder einführen sollten, damit sich alle im Departement willkommen fühlen.
Dies ist keine einfache Aufgabe, aber wir sind froh, dies tun zu können. Wir können zu den Entscheidungsträgern des Departements gehen, um diese Themen anzusprechen, und werden dabei ernst genommen. Ich habe das Gefühl, dass meine Meinung an der ETH zählt, und das ist mir sehr wichtig. Das trifft auf den VIS zu, aber auch auf meine Meinung als Studentin: Im Laufe des Semesters haben wir viele Gelegenheiten, Feedback zu den Lehrveranstaltungen, Online-Lehrveranstaltungen etc. zu geben. Die Professorinnen und Professoren strengen sich wirklich an, allen Studierenden gerecht zu werden. Ich bin mir nicht sicher, wie viele Hochschulen das Feedback der Studierenden so gut umsetzen und ernst nehmen.
Was hat dich dazu motiviert, diese Aufgabe zusätzlich zum Studium zu übernehmen?
Ein starker Motivationsgrund war für mich anfangs der partielle Lockdown, als ich 2020 in der Schweiz ankam. Ich sah es als eine gute Möglichkeit, ein Netzwerk aufzubauen und an VIS-Veranstaltungen teilzunehmen. Vielleicht wollte ich auch meine Komfortzone verlassen und etwas Neues ausprobieren, anstatt mich nur den ganzen Tag dem Studium zu widmen. Ich lernte schnell viele Menschen kennen und erfuhr auch viel über die Hochschule. Ich habe weitergemacht, weil wir Dinge verändern können. Es ist bereichernd, Entscheidungen zu treffen, sich mit Studierenden auszutauschen und zur Gestaltung unserer Gemeinschaft beizutragen.
Was sind deine Pläne für das kommende Jahr?
Im nächsten Herbst beginne ich mit dem Master-Studium für Informatik (die anderen Optionen wären die Master-Studiengänge Cyber Security, Data Science oder Robotics, Systems and Control gewesen). In diesem Master-Studiengang kann ich ein Vertiefungsfach und ein Zusatzfach wählen. Mir gefällt die Idee, dass ich mich auf ein Gebiet spezialisieren und dieses durch ein Nebenfach ergänzen kann. Ich will mich nicht zu bald spezialisieren, ohne jedem Fachbereich eine Chance gegeben zu haben, da ich glaube, dass es wichtig ist, dass ich für mein Studium leidenschaftliches Interesse und wahres Engagement empfinde.
Cella Florescu
Cella befindet sich im dritten Jahr des Bachelor-Studiengangs und ist als Mitglied des VIS in der Hochschulpolitikkommission aktiv.
Vor ihrem Studium an der ETH Zürich wurde sie mit dem zweiten Preis bei der NSS Space Settlement Design Competition (2019), der Silbermedaille bei der Internationalen «Tuymaada»-Olympiade (2018) und der Bronzemedaille beim International Autumn Tournament in Informatics (2017) ausgezeichnet.
Verein der Informatikstudierenden (VIS)
Der VIS ist die erste Anlaufstelle für Bachelor- und Master-Studierende des Studiengangs Informatik, um sich über Events, Exkursionen, Unterstützung im Studium sowie die Vertretung gegenüber dem Departement Informatik der ETH Zürich zu informieren.
Ungefähr 130 Studierende organisieren ehrenamtlich zahlreiche Veranstaltungen wie zum Beispiel ein Begrüssungswochenende für Erstsemestrige, Prüfungsvorbereitungskurse und die grösste akademische Firmenmesse für Informatik in der Schweiz, die sogenannte Kontaktparty.
Der VIS ist Teil des Verbands der Studierenden an der ETH (VSETH), des Dachverbands sämtlicher Studierendenorganisationen an der ETH Zürich.
More information
- VIS-Website
- Informationen für Maturanden (Schnuppertag, Schnupperwoche und ETH Zürich Studieninformationstage)
- externe Seite MIT Undergraduate Research Opportunity Program