«Das Studium in Princeton ist ganz anders»

Daniel Yang wollte schon immer ein Austauschsemester absolvieren. In diesem Artikel schildert der Bachelorstudent seine Erfahrungen an der Princeton University und erklärt, warum er auch anderen empfiehlt, die ETH-Bubble für eine Weile zu verlassen.

Als ich auf der Rückreise aus den USA am Flughafen Zürich ankam, fühlte es sich an, als wäre ich erst gestern von hier abgereist. Die Zeit verging so schnell, dass sich mein Aufenthalt in den USA wie ein Tagesausflug anfühlte – aber gefüllt mit sechs Monaten voller schöner Erfahrungen, neuer Freunde und aufregender Abenteuer. Hätte ich mich nicht getraut, meine vertraute Zürcher Bubble zu verlassen, wo ich vor drei Jahren mein Studium begonnen habe, und mich für ein Austauschsemester in einem neuen Land ins Ungewisse zu begeben, hätte ich dieses Gefühl nie gefunden. Deshalb bin ich allen dankbar, die ihre Auslandserfahrungen mit mir früher teilten und mich ermutigten, auch eine zu machen. Nun bin ich an der Reihe, meine eigenen Erfahrungen an der Princeton University zu teilen. Vielleicht hilft euch das, die Frage zu beantworten, ob ein Austauschsemester auch etwas für euch wäre. Wenn ihr aber mich fragt, gibt es nur eine mögliche Antwort.

Es begann damit, dass meine Schwester sagte: «Der Austausch war das Beste, was ich in meinem Studium gemacht habe!» Da beschloss ich, es selbst zu versuchen – auch wenn ich nicht wusste, ob es mir gefallen würde. Als ich für die ETH zugelassen wurde, versuchte ich als ein ambitionierter Student, für mein Austauschsemester eine noch bessere Hochschule als die ETH zu finden. Das war nicht einfach. Deshalb wollte ich in meinem ersten Jahr an der ETH einfach nur mein Bestes geben, um möglichst viele Optionen danach zu haben, ohne eine bestimmte Universität im Kopf zu haben. Glücklicherweise ging dieser Plan auf: Nach eineinhalb Jahren harter Arbeit erhielt ich eine Zusage für ein Austauschsemester an der Princeton University.

Vergrösserte Ansicht: Daniel Yang steht vor der Nassau Hall, einem mit Efeu bewachsenen neugotischen Gebäude
Daniel Yang absolvierte das Frühjahrssemester 2022 an der Princeton University in den USA und fand diese Erfahrung sehr bereichernd.

Am besten gefiel mir an Princeton, dass das Studium dort ganz anders war als an der ETH. Zunächst einmal verfolgt Princeton den Weg der «Liberal Arts Education». Das bedeutet, dass die Studierenden eine viel breitere, multidisziplinäre Ausbildung erhalten. Normalerweise entscheiden sich die Studierenden erst am Ende des zweiten ihrer vier Jahre in Princeton für ihre Studienrichtung, und die ersten beiden Jahre ähneln einem «Studium generale». In den vier Jahren müssen alle Studierenden eine bestimmte Anzahl an Kursen aus verschiedenen Bereichen belegen, z. B. «Literature and the Arts», «Social Analysis», ein Schreibseminar, eine Fremdsprache und vieles mehr, sodass vielleicht nur zwei von drei Kursen mit dem eigentlichen Studienfach zu tun haben. Aufgrund der kleinen Anzahl von etwa 5000 Studierenden und der grossen Auswahl an Studienfächern ist die Zusammensetzung der Studierenden sehr viel vielfältiger. Anstatt nur Freunde aus der Informatik zu haben, studieren meine Freunde in Princeton alle möglichen Fächer, von Wirtschaft über Public and International Affairs und Astrophysik bis hin zu Kunstgeschichte.

Insgesamt gehen die Kurse in Princeton weniger tief in die Theorie, und die Inhalte sind weniger komplex und mehr praxisorientiert als an der ETH, obwohl Princeton zu den theoretischeren Universitäten in den USA zählt. Insbesondere hatten wir nur 12 Wochen Vorlesungen – statt 14 Wochen wie an der ETH. Deshalb hätte ich wahrscheinlich an der ETH inhaltlich mehr gelernt als in Princeton, aber das bedeutet nicht, dass das Semester in Princeton weniger anspruchsvoll war. Es war einfach anders.

Essen, Freundschaften und ein starker Zusammenhalt

Auch die Stadt Princeton selbst ist mit rund 30'000 Einwohnern recht klein, was das Leben auf dem Campus zu einer richtigen Bubble macht. Da die nächste Grossstadt New York eine Stunde mit dem Zug entfernt ist, verbringt man fast die gesamte Zeit auf dem Campus, umgeben von anderen Studierenden. Obwohl ich anfangs diesem gegenüber skeptisch war, habe ich mich dort am Ende sehr wohl gefühlt. Man kann sich viel besser kennenlernen, und aus einer spontanen Bekanntschaft am Mittagstisch kann sich leicht eine gute Freundschaft entwickeln, weil man sich auf dem Campus wahrscheinlich wieder über den Weg laufen wird. Ausserdem kann man länger gemeinsam lernen und viel mehr Zeit zusammen verbringen, weil fast alle auf dem Campus wohnen und niemand nach Hause pendeln muss.

Mit all dem exklusiven Princeton-Merch, den Veranstaltungen auf dem Campus und den Sportwettkämpfen gegen andere Universitäten entsteht ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit, das zu einer solidarischen, eng verbundenen Gemeinschaft führt. Da das Studium für alle genau vier Jahre dauert, beginnt man das Studium in der Regel mit denselben Leuten, mit denen man auch den Abschluss machen wird, was eine noch stärkere Zugehörigkeit zum eigenen Jahrgang schafft. Diese Zugehörigkeit ist so stark, dass sogar Ehemalige, die in den 80er Jahren oder früher ihren Abschluss gemacht hatten, oft zur grossen jährlichen Reunion-Party im Mai nach Princeton zurückkehren. Wir Austauschstudierenden zählten als Juniors (Studierende im dritten Jahr) und gehörten zum Jahrgang 2023.

Meine Highlights auf dem Campus waren das Essen und Club Swim. Was Ersteres betrifft, hatte ich anfangs keine hohen Erwartungen. Nach dem, was ich von anderen amerikanischen Universitäten hörte, dachte ich, dass ich mich fast täglich von Pizza, Burgern und Pommes ernähren müsste. In Princeton war es aber genau das Gegenteil. Zu Beginn des Semesters müssen die meisten Studierenden einen Meal Plan kaufen, mit dem man in den acht Dining Halls auf dem Campus eine bestimmte Anzahl Mal essen gehen kann. In der Tat ist es unüblich, selbst zu kochen, und fast alle essen ausschliesslich in den Dining Halls. Am Eingang jeder Dining Hall wird eine Mahlzeit von der Legi abgezogen, und dann kommt man zu einem grossen All-you-can-eat-Buffet mit einer super Salatbar, einer Omelettstation zum Frühstück, einer Grill- und Nudelbar zum Mittag- und Abendessen und sogar einem Schoggibrunnen zum Sonntagsbrunch. Ich war überrascht von der grossen Auswahl an vegetarischen Gerichten und fühlte mich am meisten hingezogen zu der Perfektion der Cookies, aussen knusprig und innen weich.


Zum Glück ist nicht nur das Essen in Princeton grossartig, sondern auch der Club Sport, der mich davor bewahrte, nach Hause rollen zu müssen. In den USA gibt es den Hochschulsport für Profisportler, die an nationalen und internationalen Meisterschaften und manchmal sogar an den Olympischen Spielen teilnehmen. Club Sport ist eher Freizeitsport, kann aber in den USA im Gegensatz zu Europa auch kompetitiv betrieben werden. Ich bin dem Club Swim beigetreten und das war eine der besten Entscheidungen während meines Austauschs. Ich konnte nicht nur viermal pro Woche im Schwimmbad direkt neben meinem Wohnheim trainieren, sondern schloss auch viele dauerhafte Freundschaften mit den Mitgliedern meines Teams, mit denen ich beim Training, bei Wettkämpfen und in meiner Freizeit viel Zeit verbrachte.

Ähnlich – und irgendwie doch nicht

Neben dem Studium, den Menschen und dem Spass gibt es eine entscheidende Komponente eines Austauschs, die ich noch nicht erwähnt habe: die Erfahrung, in einer neuen Umgebung zu sein. Obwohl sich die USA und Europa nicht extrem unterscheiden und ich kaum einen Kulturschock spürte, machen die feinen Unterschiede doch etwas aus. Sei es die Kalenderwoche, die mit dem Sonntag statt Montag beginnt, weswegen ich beinahe ein Online-Zugticket für den falschen Tag buchte; oder das nach Chlor schmeckende Leitungswasser, sodass ich nicht nur immer auf der Suche nach Toiletten, sondern auch nach Trinkwasser-Stationen war. Sei es der kompliziert aussehende Zugfahrplan, der unsere Ankunft in Princeton an unserem ersten Tag in den USA um mehrere Stunden verzögerte. Oder auch die Preise, welche ohne Steuern ausgewiesen werden, ganz zu schweigen vom «obligatorischen» 20-prozentigen Trinkgeld in Restaurants, wodurch wir immer mehr Geld ausgaben, als wir geplant hatten. All diese Dinge lehrten mich, mich in unbekannten Umgebungen und bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten besser zurechtzufinden.

Der Umgebungswechsel hat mir auch einen anderen Blickwinkel auf Europa und die USA ermöglicht, sodass ich sowohl die guten als auch die schlechten Seiten beider Orte besser sehen konnte. Ohne diesen Austausch wäre mir nicht so sehr bewusst geworden, wie privilegiert es ist, in einer Stadt mit frischem, trinkbarem Leitungswasser und fast keinen Obdachlosen zu leben. Aber ich hätte auch nicht gewusst, wie bereichernd es sein kann, für die ersten zwei Jahre ein «Studium generale» zu haben, oder wie eine starke Sportinfrastruktur es einem ermöglicht, während des Studiums auch an Wettkämpfen teilnehmen zu können.

Alles in allem ist ein Austausch eine sehr gute Gelegenheit, der gewohnten Umgebung zu entfliehen und neue Erfahrungen zu machen, tolle Leute kennenzulernen und eine Menge Spass zu haben. Der Erfolg eines Austauschsemesters hängt dabei weniger von der Universität ab, für die man sich entscheidet oder zugelassen wird, sondern vor allem davon, was man daraus macht. Manche geniessen die Möglichkeit, im Vergleich zur ETH vermehrt praxisorientierte als theoretische Kurse zu belegen. Andere wiederum nutzen ihren Austausch, um mehr Aktivitäten ausserhalb des Studiums nachzugehen, oder sie nutzen die Zeit nach dem Austausch, um zu reisen und das Land zu erkunden. Du wirst jedoch nie wissen, wie schön ein Austausch sein kann, wenn du es nicht ausprobierst.

Mobilitätsprogramme an der ETH Zürich

Die ETH Zürich unterhält Austauschabkommen mit über 100 Partneruniversitäten auf der ganzen Welt. Das bietet Studierenden die Gelegenheit, ihren akademischen und auch soziokulturellen Horizont während ein bis zwei Semestern zu erweitern oder sogar eine Bachelor- oder Masterarbeit im Ausland zu schreiben. Erforderlich ist ein Notendurchschnitt von 4,5 oder besser. Bachelorstudierende müssen das zweite Studienjahr erfolgreich abgeschlossen haben und Masterstudierende müssen ihr Bachelorstudium an der ETH abgeschlossen haben.

Mehr zu den Voraussetzungen und dem Bewerbungsverfahren für Informatikstudierende gibt es hier: Austauschprogramme

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert