Cornelia Haldemann: «Wir waren eine bunt gemischte Truppe»
Als eine der ersten Informatikstudierenden der ETH Zürich begann Cornelia Haldemann im Jahr 1981 ihr Studium und schloss es 1987 ab. Heute leitet sie das Product Data Management eines international tätigen Schweizer KMUs und blickt Veränderungen nach vielen Berufsjahren entspannt entgegen.
Cornelia Haldemann, warum haben Sie sich damals für ein Informatikstudium an der ETH Zürich entschieden?
Mein Einstieg in die Informatik war Zufall. Nach der Matura wollte ich auf Weltreise. Dafür brauchte ich Geld und begann als Programmiererin bei Siemens zu arbeiten. Aus der Weltreise wurde zwar nichts, dafür hatte ich mit der Informatik mein berufliches Hauptinteresse entdeckt. Dann folgte ein weiterer Zufall. Mein Bruder, der an der ETH Elektroingenieur studierte, drückte mir die Anmeldeunterlagen für den damals neuen Informatikstudiengang an der ETH Zürich in die Hände. Ohne weitere Abklärungen füllte ich die Unterlagen aus und schickte die Anmeldung ab.
Welche Momente aus dem Studium sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
«Lass dich nicht einschüchtern, hier bluffen alle», riet mir mein ehemaliger Mathematiklehrer, dem ich an meinem ersten Tag an der ETH zufällig über den Weg lief. Und nach dem ersten Jahr dann die bittere Enttäuschung: Ich hatte das erste Vordiplom nicht bestanden. Dank Durchhaltewillen, viel Rückhalt meiner Mitstudierenden und neuen Lernstrategien hat es beim zweiten Anlauf geklappt. Als erster Informatikstudiengang an der ETH Zürich waren wir eine bunt gemischte Truppe. Der Grossteil hatte wie ich nach der Matura erste Berufserfahrung gesammelt. Einige studierten bereits etwas anderes oder hatten schon abgeschlossen. Sehr gut erinnere ich mich ausserdem daran, dass ich bei der Diplomfeier als Vertreterin der Studierenden eine Abschlussrede halten durfte. Noch nie zuvor hatte ich vor so vielen Menschen gesprochen. Und ab und zu gab es auch unvergessliche Szenen zum Thema Frau in der Informatik.
Mögen Sie erzählen?
Nach einer mündlichen Prüfung meinte ein Informatikassistent, ich hätte meine gute Note nur bekommen, weil ich eine Frau sei. Ich war fassungslos. Viele Jahre und einige Weiterbildungen später war ein junger «Techie-Kollege» irritiert. Es könne ja nicht sein, dass ich auch in den technischen Fächern besser sei als er. Ich musste ein bisschen schmunzeln.
Was haben Sie nach dem Studium gemacht?
Auf das Studium folgte eine «Lehr- und Wanderzeit». Ich arbeitete in verschiedenen Tätigkeiten im IT-Bereich bei Banken und bei einer Versicherung. Um mein wachsendes Interesse für die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu stillen, absolvierte ich berufsbegleitend Anfang der 90er-Jahre das Nachdiplomstudium Betriebswissenschaften an der ETH. 1994 wurde ich zum ersten Mal Mutter und blieb drei Jahre zu Hause. Seit meinem Wiedereinstieg damals arbeite ich stets bei der Firma Zehnder Group International – zuerst als IT-Projektleiterin, dann als Information Security Officer und seit 2013 als Head of Product Data Management. Zusätzliches Wissen über Information Security und Design Thinking eignete ich mir in meinen zwei Nachdiplomstudiengängen an der Hochschule Luzern an.
Was schätzen Sie besonders an Ihrem Beruf?
Die breite Palette an täglich neuen Herausforderungen technischer, organisatorischer und sozialer Art. Weiter schätze ich die Freiheit, eigene Schwerpunkte zu legen. Zudem habe ich während meiner langjährigen Berufserfahrung schon zahlreiche Veränderungen und Weiterentwicklungen miterlebt. Aktuelle Entwicklungen kann ich deshalb gut einordnen und mich heute auf die spannenden Aspekte des Neuen konzentrieren.
Was haben Sie aus Ihrem ETH-Studium mitgenommen, das über das Fachwissen hinausgeht?
Exaktes und systematisches Arbeiten, Beharrlichkeit und Ausdauer. Die Studienzeit war eine grosse Horizonterweiterung – nicht nur in der Informatik. Einen spannenden Einblick in die Geistes- und Sozialwissenschaften ermöglichte mir mein Nebenfach Arbeitspsychologie und -physiologie sowie Vorlesungen aus der sogenannten Abteilung XII. (Anm. d. Red.: Die Abteilung befasste sich mit Fächern wie Geschichte, Philosophie und Sprachwissenschaften und ist seit 1999 Teil des Departements Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften (D-GESS))
Was war Ihre Lieblingsvorlesung?
Meine frei gewählten Vorlesungen zu ganz unterschiedlichen Themen: von der Wissenschaftstheorie (P. Feyerabend) über französische Literatur (Liaisons Dangereuses bei R. Kempf) bis hin zur feministischen Philosophie (Huber & Huber). Einige Jahre lang lernte ich sogar Arabisch (H. Fähndrich). Die Dozierenden sprühten vor Leidenschaft für ihre Fächer, es war nachhaltig und unvergesslich.
Was wünschen Sie dem Departement Informatik zum 40. Geburtstag?
Weiterhin viele grossartige, kompetente und interessierte Menschen, die sich in verschiedenen Rollen am Departement engagieren!
40 Jahre D-INFK
1981 wurde der Studiengang Informatik an der ETH Zürich eingeführt. Gleichzeitig wurde die Abteilung IIIC gegründet, der Grundstein für das heutige Departement Informatik. Im Rahmen des 40-jährigen Jubiläums stellen wir Alumnae und Alumni vor, die in den letzten vier Jahrzehnten ihr Wissen und ihre Fähigkeiten von der ETH Zürich in die Welt getragen haben.
Jubiläumswebseite