Urs Hölzle: «Informatik ist keine enge Karriere-Wahl»
Urs Hölzle studierte von 1983 bis 1988 Informatik an der ETH Zürich und promovierte an der Stanford University, bevor er 1999 als achter Angestellter zu Google stiess. Als Topmanager von Google prägt er mit seiner Arbeit nicht nur die globale Technologie-landschaft, sondern auch das Leben von Millionen von Menschen.
Urs Hölzle, weshalb wollten Sie Informatik studieren?
Das Thema hat mich sehr interessiert. Zudem war mir bewusst, dass ich nach meiner Ausbildung etwa 40 Jahre lang arbeiten werde. Die Informatik gab mir diesbezüglich eine ungeheure Flexibilität. Ich würde zwar 40 Jahre lang in der Informatik tätig sein, könnte aber wählen, in welcher Industrie oder in welchem Spezialgebiet. Informatiker braucht es überall – in der Medizin, in der Biologie oder im Energiewesen. In diesem Sinne ist Informatik eigentlich keine sehr enge Karrierewahl, sondern lässt einem viele Möglichkeiten offen.
Was haben Sie aus Ihrer Zeit an der ETH mitgenommen?
Das Departement war gerade einmal zwei Jahre alt. Deshalb war die Ausbildung damals noch sehr breit, sicher ein wenig breiter als das heutige Angebot. Wir hatten damals viel mehr Mathematik als Informatik. Mir hat vor allem das Umfeld gefallen. Ich konnte Vorlesungen oder Vorträge besuchen, die mich zum Denken angeregt haben. Da ging es nicht nur um Informatik, sondern um allgemein spannende Themen aus der Wissenschaft. Und was mir natürlich auch sehr gut gefallen hat an der ETH ist, dass es eine internationale Universität ist. Ich hatte sehr viel Kontakt zu Menschen aus anderen Kulturen und Ländern.
Hatten Sie von Anfang an das Ziel, nach dem Studium im Ausland zu doktorieren?
Nein, eigentlich nicht. Ich wusste auch gar nicht, ob ich wirklich doktorieren will. Das hat sich alles so ergeben. Ich habe das von Jahr zu Jahr so genommen. Eigentlich so richtig Gedanken darüber gemacht habe ich mir erst im letzten Jahr des Studiums. In die USA wollte ich schlussendlich, weil das Thema, für das ich mich interessiert habe, in der Schweiz oder sogar in Europa gar nicht stattfand. Ich habe mich damals intensiv mit objektorientierten Programmiersprachen beschäftigt. Die Forscher, die sich damit befasst haben, sassen praktisch alle in den USA. Die Universität Stanford habe ich wegen meines späteren Doktorvaters ausgewählt. Als ich seine Veröffentlichungen gelesen habe, wusste ich, dass ich mich bei ihm bewerben wollte.
Waren Sie mit Ihrem ETH-Abschluss gut auf die Standford University vorbereitet?
Absolut, die ETH gehörte bereits damals zu den besten Institutionen der Welt. Die Aufnahmeprüfung an die Stanford University habe ich mit einem sehr geringen Aufwand bewältigt.
Gab es etwas, was Sie in der Ausbildung an der ETH nicht oder zu wenig vermittelt bekamen?
Der grösste Unterschied zur Schweiz war damals, dass die amerikanischen Unis die Studierenden viel mehr darauf vorbereitete, ihre Ideen zu kommunizieren. Egal ob man einen Vortrag machte oder eine Arbeit schrieb, die Erwartungen in Bezug auf die Kommunikation und Präsentation der erarbeiteten Inhalte waren enorm hoch und wurden dann entsprechend auch geübt. Das war sicher etwas, was zu meiner Zeit an der ETH noch nicht so hoch gewichtet wurde. Ich persönlich empfinde Kommunikation als wichtigen Erfolgsfaktor – und zwar nicht nur in der akademischen Welt, sondern vor allem auch im Berufsleben. Ich habe das Gefühl, in der Schweiz lernt man das eher «on the job» und in den USA in der Schule – und zwar noch vor der Uni. Das hat sich in den letzten 25 Jahren sicher auch an der ETH stark geändert. Trotzdem gehören in den internationalen Meetings die Präsentationen der Amerikaner immer noch zu den besten.
Können Sie etwas konkreter erklären, weshalb für Sie Kommunikation so wichtig ist?
Weil Informatik Teamwork ist. Es gibt in der Informatik ganz wenige Bereiche, wo Sie heute als Einzelperson einen ganz grossen Impact machen können, zum Beispiel in der Kryptologie oder Kompressionstechnik. Dort kommt es vor allem auf den Algorithmus an. Da kann eine einzelne Person schon wegweisende Fortschritte machen. Aber normalerweise sind es Teams von mindestens zwei oder drei Ingenieuren, die eng zusammenarbeiten und gemeinsam etwas bewegen. Deshalb ist es entscheidend, dass man seine Ideen und die Arbeit, die man macht, anderen Menschen vermitteln kann. Wenn sie immer wissen, was das Richtige wäre, aber es den anderen im Team oder im Unternehmen nicht vermitteln können, wird das Richtige nie passieren. Deshalb kann aus meiner Sicht jemand, der sich nicht klar ausdrücken kann, nie erfolgreich sein.
Dies ist ein Auszug aus einem Interview aus dem 360° Magazin der ETH Zürich Foundation, herausgegeben von der Open Systems AG. Das ganze Magazin befindet sich externe Seite hier. Das vollständige Interview kann hier gelesen werden.
40 Jahre D-INFK
1981 wurde der Studiengang Informatik an der ETH Zürich eingeführt. Gleichzeitig wurde die Abteilung IIIC gegründet, der Grundstein für das heutige Departement Informatik. Im Rahmen des 40-jährigen Jubiläums stellen wir Alumnae und Alumni vor, die in den letzten vier Jahrzehnten ihr Wissen und ihre Fähigkeiten von der ETH Zürich in die Welt getragen haben.