«Es war ein Abenteuer»
Am Ende seiner zweijährigen Amtszeit als Vorsteher des Departements Informatik blickt Professor David Basin auf eine turbulente Zeit zurück und erklärt, wie ihm die Führung eines Departements geholfen hat, das Innenleben der ETH Zürich besser zu verstehen.
David Basin, was macht der Vorsteher des Departements Informatik?
Ich war für eine Vielzahl von Führungs- und Organisationsaufgaben zuständig, von der Berufung neuer Professorinnen und Professoren über die Verwaltung der Departementsressourcen bis hin zur Konfliktlösung. Der Vorsteher ist auch ein «Zwischensteher», der nicht nur innerhalb des Departements arbeitet, sondern es auch gegenüber der Schulleitung der ETH Zürich vertritt. So konnte ich dazu beitragen, die Dinge nicht nur am D-INFK, sondern auch für die gesamte ETH Zürich zu verbessern.
Fällt es Ihnen schwer, diesen Posten zu verlassen?
Es gibt sicherlich eine gewisse Traurigkeit, aber das Departement ist bei meinem Nachfolger Timothy Roscoe in fantastischen Händen. Die Position des Vorstehers ist ungewöhnlich. Die meisten Leute kommen an die ETH Zürich, weil sie leidenschaftlich gerne forschen – ich kenne keinen einzigen Kollegen, keine einzige Kollegin, auf die das nicht zutrifft. Für das Management haben wir etwas weniger Leidenschaft. Aber die ETH beruht auf diesem Prinzip des Selbstmanagements, und es gehört zu unseren Aufgaben als Professorinnen und Professoren, einen Teil der administrativen Aufgaben zu übernehmen. Es ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, dem Departement und der ETH etwas zurückzugeben, und ich habe gerne meinen Teil dazu beigetragen. Aber ich bin auch froh, wieder zu meiner Forschung zurückzukehren und ein normaler Professor zu sein.
Was bedeutet es für Sie, ein normaler Professor zu sein?
Ich freue mich sehr darauf, mehr Zeit für Lehre und Forschung zu haben. Während meiner Amtszeit hatte ich meine Lehrtätigkeit reduziert und ich vermisse die Zeit mit den Studierenden. Auch für die Forschenden in meiner Gruppe hätte ich gerne mehr Zeit gehabt. Ich habe zwei Bücher in Planung und hoffe ausserdem, im Herbst 2021 ein Sabbatical einlegen zu können. Die letzten zwei Jahre waren extrem voll und aufregend, und ich freue mich darauf, etwas Ruhe zu haben, um an meinen Forschungs- und Buchprojekten zu arbeiten.
«Die meisten Leute kommen an die ETH Zürich, weil sie leidenschaftlich gerne forschen. Für das Management haben wir etwas weniger Leidenschaft.»Professor David Basin
Ihre zweijährige Amtszeit war besonders ereignisreich: Das Departement expandierte in neue Gebäude an verschiedenen Standorten und eine globale Pandemie veränderte praktisch über Nacht Forschung und Lehre. Was waren die grössten Herausforderungen, die Sie zu meistern hatten?
Es war ein Abenteuer! Das Wachstum des Departements und die Verteilung der Ressourcen zu managen, war sicherlich eine Herausforderung. Die intensivste Aufgabe für mich war aber die Berufung von neuen Professorinnen und Professoren. Zu Beginn der Pandemie waren wir mitten im Berufungsprozess, einige Kandidatinnen und Kandidaten waren hier oder in der Luft, andere sassen in ihrem Heimatland fest. Ich bin froh, dass wir es geschafft haben, die Berufungsgespräche online zu führen und so diesen kritischen Prozess fortzusetzen. Die Umstellung der Lehre auf Onlinebetrieb war ebenfalls eine wichtige Aufgabe, die jedoch grösstenteils vom Studiendirektor, Ueli Maurer, übernommen wurde. Ich bin ihm für seine Arbeit sehr dankbar. Was die anderen Aspekte der Departementsleitung angeht, waren alle sehr kooperativ, selbstorganisierend und einfallsreich, was das Management stark vereinfacht hat.
Warum sind Berufungen ein so wichtiger Teil der Arbeit des Departementsvorstehers?
Weil sie langfristige Konsequenzen haben. Es geht um die nächste Generation, die das Departement übernehmen wird, und es macht einen entscheidenden Unterschied, ob man die richtigen Leute bekommt. Während meiner Zeit als Vorsteher kamen 14 neue Kolleginnen und Kollegen ans Departement. Es war eine Menge Arbeit, sie auszuwählen und zu integrieren, aber es war auch sehr erfüllend. Ich konnte dabei helfen, grossartige neue Menschen ans Departement zu bringen. Ich hatte ausserdem die Gelegenheit, im Rahmen des Berufungsprozesses viele interessante wissenschaftliche Vorträge zu hören.
Gibt es noch etwas, das Sie während Ihrer Amtszeit erreicht haben, auf das Sie besonders stolz sind?
Es gibt viele fantastische Entwicklungen am Departement, auf die ich sehr stolz bin, aber sie sind nicht mein Verdienst. Ich bin zum Beispiel stolz darauf, dass wir eines der besten Informatikdepartemente der Welt sind; das ist unser aller Verdienst. Das Departement wurde in den letzten Jahren von meinen Vorgängern Markus Püschel und Emo Welzl exzellent geführt. Gleichzeitig hat sich die Informatik zu einer sehr wichtigen, wenn nicht sogar zur zentralen Wissenschaft des 21. Jahrhunderts entwickelt. Das hat zu einem enormen Wachstum, zu explodierenden Studierendenzahlen und zur Gründung neuer Zentren und Initiativen geführt. Nichts davon war mein Werk, aber es erforderte eine gewisse Organisation und Umstrukturierung innerhalb des Departements, und ich bin froh, dass ich auf diese Weise dazu beitragen konnte. Das richtige Umfeld zu schaffen, in dem wir uns entfalten und Spitzenleistungen erbringen können, ist ein grosser Teil der Aufgaben des Departementsvorstehers.
Sehen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen und das Departement selbst in einem anderen Licht nach Ihrer Zeit an der Spitze?
Ich habe meine Kolleginnen und Kollegen immer sehr geschätzt. Während meiner Amtszeit hatte ich die Möglichkeit, mit einigen von ihnen enger zusammenzuarbeiten und dabei sogar persönliche Freundschaften zu schliessen. Auch mit Studierenden und studentischen Organisationen wie VIS und VMI hatte ich einen sehr positiven Austausch, wenngleich das Coronavirus die Begegnungen mit ihnen erschwert hat.
«Das richtige Umfeld zu schaffen, in dem wir uns entfalten und Spitzenleistungen erbringen können, ist ein grosser Teil der Aufgaben des Departementsvorstehers.»Professor David Basin
Und die ETH Zürich als Ganzes?
Ich hatte schon immer ein sehr positives Bild von der ETH Zürich, aber jetzt verstehe ich viel besser, wie die Hochschule funktioniert. Wir verfolgen alle die gleichen Ziele, aber manchmal sehen wir nicht ein, warum bestimmte Dinge passieren, weil unsere Perspektive eingeschränkt ist. Als ehemaliger Departementsvorsteher habe ich nun viel mehr Verständnis für die Prozesse, Reglemente und Managementstrukturen der ETH.
Werden Sie weiterhin im Departementsausschuss aktiv sein?
Ja, für weitere sechs Monate, um meinen Nachfolger, Timothy Roscoe, zu unterstützen. Danach werde ich für mein Sabbatical zurücktreten. Im Laufe der Zeit werde ich vielleicht andere Serviceaktivitäten übernehmen. Es ist durchaus üblich, dass ehemalige Departementsvorsteher in verschiedenen Gremien und Organisationen innerhalb der ETH und natürlich auch am Departement aushelfen. Ich bin auf jeden Fall gerne bereit, meinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern zu helfen, so wie meine Vorgänger mir geholfen haben.
Funktioniert das ETH-System, bei dem Professorinnen und Professoren für kurze Zeit die Departementsleitung übernehmen, oder wäre eine längerfristige Führung besser?
Beide Modelle haben ihre Vorteile. Wenn man die richtige Person findet, die das Departement zehn Jahre lang leitet, profitiert man von der Kontinuität und der Weisheit, die man mit der Zeit gewinnt. Findet man hingegen die falsche Person, ist das nicht ideal. In unserem Modell übernehmen Professorinnen und Professoren für eine begrenzte Zeit die Leitung, um dem Departement etwas zurückzugeben, auch wenn sie sich in der Regel viel mehr für ihre Forschung und Lehre begeistern als für die administrativen Aufgaben. Ich denke, das funktioniert gut, auch wenn es das Engagement der Professorinnen und Professoren erfordert. Mit dem Wachstum des Departements in den letzten Jahren hat die Arbeit jedoch an Komplexität zugenommen, und der Job des Vorstehers ist entsprechend anspruchsvoller geworden.
Wie wird sich das Departement von hier aus weiterentwickeln?
Im Moment haben wir fantastische neue Kolleginnen und Kollegen und das Departement entwickelt sich prächtig. Dies ist eine aufregende Zeit für uns, da sich die Informatik so schnell verändert, andere Wissenschaften revolutioniert und die Funktionsweise unserer Gesellschaft grundlegend verändert. Datenverarbeitung, Kommunikation, Transport, Unterhaltung, Finanzen und so vieles mehr sind auf Distributed Computing angewiesen. Als Informatikerinnen und Informatiker können wir all dies intelligenter, funktionaler und sicherer machen, und ich hoffe, dass wir die Möglichkeit und die Ressourcen haben werden, um genau das zu tun. Vor zwanzig Jahren hätte niemand die Auswirkungen von Themen wie KI und maschinelles Lernen vorhersagen können. Und wir wissen auch nicht, was in den nächsten zwanzig Jahren passieren wird, aber es gibt sicherlich ein enormes Potenzial in der Informatik.