«Ich bin positiv überrascht, wie schnell sich alle Dozierenden auf die neue Situation eingestellt haben»
Professor Ueli Maurer ist als Studiendirektor für die Lehre am Departement Informatik zuständig. Als die ETH Zürich am 16. März sämtliche Präsenzlehrveranstaltungen einstellte, war auch er gefordert, den über 1000 Bachelor- und Masterstudierenden des Departements das Studium weiterhin möglich zu machen.
Professor Maurer, wie sieht die Situation in der Lehre derzeit aus?
Die Vorlesungen und die Übungen finden online statt, mir sind keine grösseren Probleme bekannt. Ich bin sehr positiv überrascht, wie schnell alle Dozierenden sich auf die neue Situation eingestellt haben. Das Verhalten ist sehr professionell und lösungsorientiert. Sicher werden wir noch Probleme sehen, aber mit Pragmatismus werden wir sie lösen.
Wie gehen unsere Professoren und Professorinnen sowie die Senior Scientists Fokus Lehre damit um?
Unter allen Dozierenden hat sich sofort ein reger Erfahrungsaustausch etabliert. Man hilft sich gegenseitig mit Tipps.
Was sind die grössten Herausforderungen beim Umstellen auf Online-Betrieb?
Ich denke, die grösste Herausforderung ist es, den Studierenden ein Gesamtpaket zu liefern, das immer noch klar definiert und somit auch fair prüfbar ist. Die Vorlesung ist ja nur ein Bestandteil einer Lehrveranstaltung nebst schriftlichen Unterlagen (z.B. Skript, Papers), Präsentationen, und den Übungen und Musterlösungen. Beim Online-Unterricht braucht es neue didaktische Konzepte, die auch funktionieren, wenn die Interaktion eingeschränkt ist. Ich erwarte, dass wir alle neue Erfahrungen sammeln, die wir auch später in den Unterricht einfliessen lassen können. Ich erhoffe mir, dass sich der Virus in vielen Bereichen als Game Changer erweisen könnte, da er eine neue Kreativität verlangt und uns die Verletzlichkeit der Gesellschaft und Wirtschaft bewusst macht.
Sind wir als Departement Informatik besser dafür gerüstet als andere Departemente?
Wir sind sicher etwas IT-affiner als gewisse andere Departemente, aber das ist nicht match-entscheidend. Aus meiner Sicht machen auch die anderen Departemente einen guten Job.
Wie geht es weiter?
Es ist wichtig, dass die Rektorin, Sarah Springman, diesen Prozess führt und nicht jedes Departement eigene Regeln erfinden muss. Ich erwarte, dass der Shutdown als Massnahme wirksam ist und keine weiteren Schritte nötig sind. Zentral wichtig ist, dass wir die Prüfungen in einem fairen und rechtlich sauberen Rahmen durchführen können. Da wird es noch mehr Detailvorgaben der Rektorin brauchen.
Wann kann mit mehr Informationen zu den Prüfungen gerechnet werden?
Erste Regelungen wurden von der Rektorin ja schon kommuniziert. Ich denke, dass innert zwei bis drei Wochen die meisten Aspekte der Prüfungen definiert sein werden.
Wird die Kommunikation zur Lehre über das Departement laufen oder zentral von der ETH kommen?
Wie schon gesagt sollte möglichst viel direkt vom Rektorat kommen. Die Departemente müssen vermeiden, eigene Regeln zu erfinden, ausser es geht um sehr spezifische Fragen.
«Statt von Konferenz zu Konferenz zu reisen hat man Ruhe zum tiefen Nachdenken.»Prof. Ueli Maurer
Was beschäftigt die Studierenden am meisten? Und was die Dozenten?
Ich stelle mir vor, dass die soziale Isolation für viele ein Hauptproblem sein wird, wenn die Situation ein paar Wochen gedauert hat. Viele Studierende werden Mühe haben, den ganzen Tag zuhause diszipliniert zu lernen; das ist schwieriger als in einer Gruppe an der ETH. Wenn die Dozierenden die Umstellung einmal gemeistert haben, dann werden sie sich über mehr Zeit für die Forschung freuen, weil ja viele Meetings und Konferenzen abgesagt sind. Statt von Konferenz zu Konferenz zu reisen hat man Ruhe zum tiefen Nachdenken.
Haben Sie irgendwelche Tipps für die Studierenden?
Vernetzt euch und lernt gemeinsam. Man könnte auch ein Tagebuch führen in dieser speziellen Zeit, in der man selbstkritisch dokumentiert, wie man die Zeit verbringt und was einen speziell interessiert.
Welche Anlaufstellen gibt es für Fragen zur Lehre am D-INFK?
Bei Problemen hilft unsere Studienadministration. Allerdings bitte ich um Verständnis, dass die Antwortzeiten länger sind, da sich alle auf die neue Situation einstellen müssen. Bei Problemfällen werde ich als Studiendirektor sehr pragmatisch entscheiden.
Wie gehen Sie persönlich mit der ungewohnten Situation um? Arbeiten Sie im Home Office? Haben Sie auch bereits Vorlesungen aufzeichnen müssen?
Wie das angefügte Bild zeigt, arbeite ich zuhause. Ich muss noch viele Pendenzen erledigen, freue mich aber auf eine Phase mit mehr Zeit für die Forschung. Das Wochenende ist ja jetzt auch wie normale Arbeitstage, da man nicht ausgehen kann. Meine Vorlesung «Cryptographic Protocols» habe ich zur Zeit an meinen Kodozenten Martin Hirt übergeben. Ich selbst habe erst ein wenig mit den Tools für die Vorlesungsaufzeichnung experimentiert. Ich freue mich aber darauf, wieder in die Vorlesung einzusteigen und von den Erfahrungen meiner Kollegen und Kolleginnen zu profitieren.
Wie erleben Sie die ETH in dieser Krise?
Hochprofessionell. Die Leute erwarten oft sehr schnelle Antworten, aber in einer solchen Situation braucht es Ruhe, weise Entscheide, und eine klare Kommunikation. All das haben wir von Seiten der ETH gesehen. Hektik wurde zum Glück vermieden.