Was künstliche Intelligenz fürs Klima tun kann
Eigentlich wollte er Teilchenphysiker werden, jetzt schützt er den Regenwald mit künstlicher Intelligenz und Blockchain. David Dao, Doktorand am DS3Lab am Departement Informatik, reiste im Dezember an die UN-Klimakonferenz in Madrid, um seine Forschung vorzustellen. Im Interview erklärt er, wie künstliche Intelligenz dem Klima helfen kann – aber auch Gefahren birgt.
Du schreibst auf deiner Webseite, dein Ziel sei «save the world with crazy technology». Wie kommst du darauf?
Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Wissenschaft und Technologie. Ich habe in verschiedensten Bereichen gearbeitet, von Teilchenphysik bis Biologieforschung. Politisch aktiv war ich bereits in meiner Schulzeit, und das Klima hat mich spätestens seit Al Gores Film «Eine unbequeme Wahrheit» begeistert – und auch ein bisschen erschreckt. So richtig kombinieren konnte ich diese Interessen 2017 am Hackathon Hack4Climate an der UN-Klimakonferenz in Bonn.
Was hast du an diesem Hackathon entwickelt?
Wir haben während des Hackathons viel über die Klimaproblematik gelernt. Landnutzung, darunter auch Entwaldung, ist für fast einen Viertel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Regenwald wird nicht gerodet, weil die Bauern böse Absichten hegen, sondern weil sie wirtschaftlich dazu getrieben sind. Es gibt Systeme, um Bauern, die den Regenwald beschützen, zu belohnen. Dieses Geld kommt aber kaum an, weil die bürokratischen Hürden sehr hoch sind. Ausbezahlt wird nur dann, wenn der Bauer beweisen kann, dass der Wald unversehrt ist. Das wird allerdings von Hand gemessen, und der ganze Zertifizierungsprozess ist kompliziert, langwierig und sehr teuer. Das können sich nur ganz grosse Organisationen leisten, mittelständische Projekte zum Schutz des Regenwaldes haben kaum Chancen.
Am Hackathon wollten wir einerseits künstliche Intelligenz nutzen, um den Wald mit Satellitenbildern zu beobachten, anstatt ihn von Hand zu vermessen. Andererseits wollten wir das Ganze mit Blockchain verknüpfen, für eine schnellere Auszahlung an den Bauern. Damit haben wir den ersten Preis gewonnen und durften das Projekt vor Delegierten präsentieren. Sie waren so interessiert, dass ich es schade fand, das Projekt nach dem Hackathon nicht weiterzuverfolgen. Ich habe es meinem Advisor, Professor Ce Zhang, vorgeschlagen, und das hat geklappt, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Wir arbeiten seit einem Jahr an diesem KI-Algorithmus, den wir Komorebi nennen, und haben ein Pilotprojekt mit Chile gestartet. Komorebi ist ein wunderschönes japanisches Wort für das Licht, das durch die Blätter der Bäume fällt.
Verfolgst du die Blockchain-Seite des Projekts auch noch weiter?
Ja, das ist das Projekt GainForest, an dem ich ausserhalb der ETH privat arbeite. GainForest versucht, über Blockchain einen synthetischen Markt zu erstellen: Über diese Plattform kann jeder etwas in Projekte investieren, die den Wald beschützen. Können die Bauern nachweisen, dass der Wald beschützt wurde – das geht hoffentlich über die Technologien, die wir an der ETH entwickeln – erhalten sie monatlich einen kleinen Betrag ausbezahlt. Das funktioniert ganz schnell. Die Investoren verdienen zugleich eine Art Spielwährung. Die Hoffnung ist, dass diese Spielwährung einen echten Preis im Markt bekommt. Demnächst werde ich ein Pilotprojekt mit den Kayapo, einem brasilianischen Ureinwohner-Volk, starten. Es liegen öffentliche Satellitendaten vor, mit denen wir den Wald beobachten können. Und das Geld kommt tatsächlich an, das haben wir getestet: Es wird über ein cleveres System in Supermärkten in bar ausbezahlt.
«Der Regenwald wird von Hand vermessen. Das können sich nur ganz grosse Organisationen leisten, mittelständische Projekte zum Schutz des Regenwaldes haben kaum Chancen.»David Dao
Geht es in deiner Doktorarbeit auch um Technologien zum Schutz des Klimas?
Teilweise. Meine Doktorarbeit beschäftigt sich mit den theoretischen Grundlagen von Daten und Märkten. Wenn man zum Beispiel einen KI-Algorithmus hat, der ganz viele Daten braucht, wie kann man Menschen einen Anreiz dafür geben, ihre Daten zu teilen, und wie kann man dabei ihre Privatsphäre und ihre Rechte wahren? Gerade bei Komorebi brauchen wir mehr hochqualitative Daten, die wir mit Drohnen beschaffen möchten. Dafür brauchen wir die Hilfe der Bauern selbst. Und genau hier setzt meine Doktorarbeit an: Wie kann ich den Bauern Anreize geben, diese Drohnenaufnahmen zu machen?
Du hast Komorebi an der Klimakonferenz in Madrid vorgestellt. Wie lief es?
Die Delegierten waren begeistert, was mit KI alles möglich ist. Wir haben auch von afrikanischen Delegierten Anfragen bekommen, ob der Algorithmus nicht auch bei ihnen anwendbar wäre. Für uns haben sich viele interessante Kontakte ergeben. Die Verhandlungen sind aber gescheitert. Ein Hauptthema der Konferenz war ein globaler Kohlenstoffmarkt, der Kosten einsparen würde. Leider haben die Eigeninteressen der Nationen überwogen, es gab keinen Kompromiss. Bei fast 200 Staaten ist das auch sehr schwierig.
Läuft man nicht Gefahr, die Hoffnung zu verlieren?
Auf jeden Fall. Klimadepression ist eine echte Krankheit. Aber wir müssen hoffnungsvoll bleiben. Ich war schon zum dritten Mal auf der Klimakonferenz und kenne dadurch einige, die sich an der Klimafront engagieren. Das sind die sonnigsten Menschen, die es gibt, obwohl dieser Bereich so schnell zynisch machen kann. Das gibt mir Hoffnung. Und ich glaube, 2019 war trotz den erfolglosen Verhandlungen ein hoffnungsvolles Jahr. Die Technologien sind fast bereit und die Jugend setzt sich mit ganzem Herzen für das Thema ein.
Was wäre dein Wunsch für 2020?
Von der Forschungsperspektive wäre unser Wunsch für 2020, die Technologie im Feld einzusetzen und zu schauen, ob sie so funktioniert, wie wir das getestet haben. Auf der gesellschaftlichen Ebene hoffe ich, dass sich die Klimabewegung weiter durchsetzt. Von der Klimajugend wünsche ich mir aber, dass sie nicht nur protestiert, sondern auch mithilft, diese neuen Technologien zu entwickeln. Dafür wollen wir vom DS3Lab Workshops und Seminare anbieten, sowie unseren Algorithmus als Open Source zur Verfügung stellen.
Was hat dich selbst dazu bewegt, Informatik zu studieren?
Eigentlich wollte ich Teilchenphysiker werden. Bei einem Schüleraustausch am CERN habe ich gemerkt, dass die Probleme der Teilchenphysik sehr computerorientiert sind. Am Ende kommt es auf den Programmierer an, die Ideen der Forschenden zu implementieren. Das fand ich richtig cool. Zum einen sitzt dieser Programmierer an der Schnittstelle zwischen so viel spannendem interdisziplinärem Wissen, zum anderen hat er bei diesen Experimenten sehr viel Verantwortung. Wenn man ein Programm schreibt, das einem Physiker eine Stunde einspart, spart es tausend Physikern tausend Stunden ein – so viel mehr Zeit für Wissenschaft. Dieser Mensch wollte ich sein.
Und wie bist du zur ETH gekommen?
Die ETH war schon immer meine Traumuniversität. Ich bin in Süddeutschland geboren, dort hatte sie einen super Ruf. Als Schüler habe ich Zürich besucht und mich gleich in diese Stadt verliebt. Aber das Leben hier ist schon sehr teuer. Deshalb habe ich den Bachelor und den Master in Deutschland gemacht, mit dem Ziel, an der ETH zu doktorieren.
«Ich wünsche mir, dass die Klimajugend nicht nur protestiert, sondern auch mithilft, diese neuen Technologien zu entwickeln.»David Dao
Was hat dich dazu bewegt, dich mit künstlicher Intelligenz zu beschäftigen?
In den ersten zwei Bachelorsemestern zweifelt man oft daran, ob man das richtige Fach gewählt hat. In dieser Phase war ich auch, als ich den Online-Kurs «Introduction to AI» der Stanford University entdeckte. Das hat mich sofort fasziniert. Zu dieser Zeit gab es in Deutschland noch gar nicht so viel KI und Machine Learning, also habe ich noch mehr Online-Kurse gemacht. Seitdem habe ich immer wieder in dieser Richtung gearbeitet.
In deiner Arbeit beschäftigst du dich immer wieder mit der ethischen Nutzung von künstlicher Intelligenz. Ist KI speziell anfällig für ethische Probleme?
Die Informatik bestimmt heute fast jeden Bereich unseres Lebens. Da gibt es natürlich ethische Herausforderungen. Mit dem Aufkommen der KI und der Art und Weise, wie wir heute Daten sammeln und nutzen, gibt es sie aber in einem neuen Mass. Ich habe zum Beispiel an Algorithmen für selbstfahrende Autos gearbeitet. Da muss man sich gut überlegen, was für Code man schreibt: Wenn ein Fehler passiert, stehen Menschenleben auf dem Spiel. Ich finde es wirklich wichtig, dass wir Informatiker uns gut überlegen, welche Auswirkungen unsere Arbeit hat. Deswegen führe ich auch eine Liste namens «AwfulAI», die unverantwortliche Nutzungen von KI darstellt.
Was sind die Herausforderungen auf dem Weg zur ethischen Nutzung der künstlichen Intelligenz?
Die Kommunikation ist ganz wichtig. Heute wird am KI-Hype verdient, und da läuft man Gefahr, Algorithmen zu «oversellen» und den Leuten eine falsche Vorstellung von ihren Fähigkeiten zu geben. Diese Algorithmen sind nicht perfekt, werden aber verwendet, um Leute einzustellen – oder um Raketen zu steuern. Das finde ich sehr gefährlich. Es braucht mehr ethische Richtlinien für KI und eine Ethikkommission für neue Technologien.
Wie managst du deine Zeit bei so vielen verschiedenen Engagements?
Das geht nur dank Kollaboration mit grossartigen Studentinnen und Studenten. Es sieht nach viel aus, aber es ist auch die Arbeit von vielen Menschen. Eigentlich sollten sie alle dieses Interview geben dürfen.