Willkommen, Professor Rasmus Kyng

Rasmus Kyng ist seit Anfang September 2019 offiziell als Tenure-Track-Assistenzprofessor für Theoretische Informatik am Departement Informatik der ETH Zürich tätig. In diesem kurzen Interview stellt er sich vor.

Professor Rasmus Kyng
Professor Rasmus Kyng ist seit September 2019 am Departement Informatik tätig.

Herr Professor Kyng, willkommen an der ETH! Was sind Ihre aktuellen Forschungsinteressen?
Ich interessiere mich für einige grundlegende Fragen der schnellen Algorithmen und der Optimierung. Einer meiner Schwerpunkte ist die numerische lineare Algebra, die häufig in der wissenschaftlichen Informatik, im maschinellen Lernen und in der Datenwissenschaft zum Einsatz kommt. Es ist aufregend, gerade jetzt in diesem Bereich zu arbeiten: Einerseits stehen wir womöglich an der Schwelle zu theoretischen Durchbrüchen, andererseits reifen einige Forschungsrichtungen heran, die einen erheblichen Einfluss auf die Praxis haben werden.

Eines der zentralen Werkzeuge der numerischen linearen Algebra sind Algorithmen zum Lösen von linearen Gleichungen. In den letzten 15 Jahren haben wir grosse Fortschritte bei der Entwicklung der Theorie solcher Algorithmen gemacht. Wenn wir diese Theorie weiter ausbauen und auf weitere Arten von linearen Gleichungen anwenden können, könnte sie in unterschiedlichsten Gebieten nützlich sein. In gewisser Weise haben diese Algorithmen nur einen quantitativen Einfluss: Hoffentlich kann man damit viel grössere Probleme viel schneller lösen. Aber letztendlich kann dies für Praktiker auch zu einem qualitativen Unterschied werden, wenn sie damit Systeme modellieren können, die bisher nicht realisierbar waren oder riesige Supercomputing-Cluster erforderten. Ich hoffe, dass dies in den nächsten fünf Jahren im Bereich des wissenschaftlichen Rechnens und der angewandten Operationsforschung der Fall sein wird.

Auf längere Sicht, wenn wir ausgezeichnete Algorithmen zum Lösen von linearen Gleichungen für ausreichend breite Klassen von Matrizen entwickeln können, dann könnte es unter Umständen möglich sein, in vielen Bereichen die Optimierung erster Ordnung (d. h. Fortschritte basierend auf dem Gradientenverfahren) durch die Optimierung zweiter Ordnung (d. h. Fortschritte basierend auf der Lösung linearer Gleichungen) zu ersetzen.

Ich bin auch sehr begeistert von Algorithmen und Optimierung ausserhalb der numerischen linearen Algebra. Historisch wurden kontinuierliche Optimierungsforschung und das Design von diskreten Algorithmen unabhängig voneinander durchgeführt. In den letzten Jahren gab es aber viel Forschung an der Grenze dieser beiden Feldern, und dieser Austausch hat sich als sehr fruchtbar erwiesen. Angesichts dieser jüngsten Fortschritte ist es naheliegend, einige Kernprobleme der Optimierung zu überdenken. Sind unsere Algorithmen optimal, oder können wir sie noch besser machen? Einerseits erscheint es immer plausibler, dass wir für wichtige Problemklassen, wie z. B. die Lösung linearer Programme, bessere Algorithmen entwickeln könnten. Ich freue mich darauf, daran zu arbeiten. Andererseits werden wir auch besser darin, (bedingte) untere Schranken in der feinkörnigen Komplexitätstheorie zu beweisen. Ich hoffe also, dass wir in den nächsten Jahren besser verstehen, was im Bereich der Optimierung und der schnellen Algorithmen möglich ist und was nicht.

Welche Auswirkungen hat Ihre Forschung auf die Gesellschaft?
Letztendlich versuche ich herauszufinden, wie die Algorithmen für viele grundlegende Probleme aussehen sollten, die Praktiker in der Wissenschaft und der Technik sowie generell in der Datenanalyse lösen wollen.

In den letzten Jahren haben meine Kollegen und ich an Lösungen für sogenannte Laplace’sche lineare Gleichungen gearbeitet. Im Moment versuche ich aufzuzeigen, dass aus dieser Forschung praktische Möglichkeiten zur numerischen Lösung schwieriger Fälle von elliptischen partiellen Differentialgleichungen entstehen können. Ich hoffe, dass es dadurch wiederum möglich sein wird, sehr schlecht konditionierte Diffusionsprobleme zu lösen, die in unterschiedlichsten Forschungsbereichen auftauchen. Viele Wissenschaftler, von Klimaforschern bis hin zu Chemieingenieurinnen, verlassen sich auf modernste Software, um solche Gleichungen in ihrer täglichen Arbeit zu lösen. Aber mit den schwierigsten Fällen hat die Software Mühe. Ich treffe mich mit den Praktikern, um zu verstehen, wie diese Fälle aussehen und ob wir ihnen helfen können. Ich denke, bald können wir noch einige weitere herausfordernde Arten von linearen Problemen, die für die Praktiker schwer zu lösen sind, viel zugänglicher machen.

Generell versuche ich, nach Anwendungsbereichen Ausschau zu halten, wo ich Praktikern bei der Lösung ihrer Probleme helfen kann. Ein weiteres Beispiel dafür ist das Problem der Stromführung durch Übertragungsnetze: Es passt gut zu den Ideen, an denen wir in der algorithmischen spektralen Graphentheorie gearbeitet haben. Ich hoffe, mich irgendwann genauer mit diesem Problem zu beschäftigen und zu sehen, ob meine «Toolbox» dieses Routing verbessern kann.

Wo haben Sie gearbeitet, bevor Sie an die ETH kamen?
Ich habe soeben einen Postdoc in der Theory of Computation Group in Harvard abgeschlossen. Davor verbrachte ich ein Semester als Postdoc am Simons Institute for the Theory of Computing an der UC Berkeley, nachdem ich im Sommer 2017 an der Universität Yale promoviert hatte.

Welche Lehrveranstaltungen werden Sie an der ETH unterrichten?
Im Herbst unterrichte ich nicht, vielleicht organisiere ich aber eine Lesegruppe. Ich überlege noch, was ich im Frühjahr unterrichten werde. Es wird ein Kurs auf Masterstufe sein, höchstwahrscheinlich zu aktuellen Themen im Bereich schneller Algorithmen und Optimierung aus der Sicht der theoretischen Informatik. Ich hoffe, den Studierenden die spannenden Forschungsaktivitäten in diesen Bereichen aufzuzeigen und ihnen Werkzeuge für die weitere Forschung in die Hand zu geben.

Nennen Sie einen interessanten Fakt über Ihre Forschung.
Wie die meisten Forschenden in mathematischen Bereichen arbeite ich gerne kleine Beispiele von Hand durch, um ein Verständnis für ein Problem zu entwickeln. Aber um über die kleinen Beispiele hinauszugehen, programmiere ich oft numerische Experimente, um komplexe Fragen zu behandeln und grössere Fälle zu analysieren. Nutzbare experimentelle Hypothesen zum Testen zu entwickeln, macht Spass und ist zugleich eine Herausforderung. Und es ist immer noch eine unterschätzte Fähigkeit, aus der man noch einiges mehr herausholen kann. Es gibt dazu ein schönes Zitat des Mathematikers V. I. Arnold. Er sagte: «Mathematik ist der Teil der Physik, in dem die Experimente günstig sind.»

Welchen Rat würden Sie Studierenden geben, die gerade erst in die Informatik einsteigen?
Ich denke, die wichtigsten Dinge, die man lernen muss, sind Prozesse: wie man lernt, wie man ein neues Thema angeht und wie man forscht.

Ich konzentriere mich hauptsächlich auf den wissenschaftlichen Aspekt der Informatik. Andere Teile der Disziplin sind näher am Ingenieurwesen angesiedelt – ein eigenständiger, ebenso wichtiger Aspekt. Nachwuchswissenschaftlerinnen und -ingenieure sollten sorgfältig darüber nachdenken, welche Fragen sie begeistern und welche Arten von Antworten sie zufriedenstellend finden.

Schliesslich sollten die Studierenden erkennen, dass Informatiker eine unglaubliche Anzahl von Werkzeugen entwickelt haben, um über die Berechnung nachzudenken, und das wirkt sich nun auf alle Bereiche der Gesellschaft aus. Aber die Informatik ist nicht alles: Es gibt viele andere wichtige Ansätze, die Welt zu betrachten.

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