Welcome speech for first-semester students 2010

Professor Friedemann Mattern, Head of the Department of Computer Science, welcomes first-year Bachelor's students to ETH Zurich. (German)

Liebe Studentinnen und Studenten des ersten Semesters!

Als Vorsteher des Departements Informatik darf ich Sie, auch im Namen aller Departementsmitglieder, zum Bachelor‐Studiengang im Herbstsemester 2010 herzlich begrüssen! Ich freue mich sehr, dass mit Ihnen wieder viele junge Menschen den Weg zu uns gefunden haben!

Mit dem Studium der Informatik an der ETH Zürich haben Sie eine Ihre persönliche Zukunft prägende Wahl getroffen, zu der man Ihnen in doppelter Hinsicht gratulieren darf: Zum einen studieren Sie nun an einer der weltweit renommiertesten Universitäten, und zum anderen gehört das Fach Informatik zu den entscheidenden Gebieten, die unsere Zukunft (und zwar nicht nur meine und Ihre, sondern die der ganzen Menschheit!) wesentlich beeinflussen. Doch dazu später mehr.

Zunächst aber: Was erwartet Sie nun in den nächsten Jahren? Natürlich viele neue und manchmal auch ganz fundamentale Einsichten und Erkenntnisse rund um die Informatik als Wissenschaft, spannende Studienprojekte und ein grossartiges Angebot, Ihre Fähigkeiten und praktischen Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Viele Menschen, die nicht diese Chance haben, beneiden Sie um diese Möglichkeiten!

Aber vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiss gesetzt. Auch das darf nicht verschwiegen werden: Das Studium ist, insbesondere in den ersten Semestern, nicht nur anstrengend, sondern sehr anstrengend! Sie werden durch viele «gleichzeitige» Lehrveranstaltungen stark gefordert, das Niveau ist hoch, es geht schnell voran und Ihre Mitstudierenden («Kommilitonen», sagte man zu meiner Zeit noch, also «Mitkämpfer») sind auch nicht von gestern. Vor allem aber werden Sie am Anfang des Studiums (wann denn auch sonst!) intensiv die Grundlagen des Faches studieren, und diese sind keineswegs immer «spassig», sondern oft mathematisch und fast immer theoretisch. Praxis und Theorie sind aber keine Gegensätze, beides gehört zusammen, und beides wird an der ETH auch betrieben. Der Informatiker Gregor Snelting hat es einmal so ausgedrückt: «Theorie ohne Praxis ist steril, Praxis ohne Theorie ist unfruchtbar». Und tatsächlich gibt es oft nichts Praktischeres als eine gute Theorie! Dass es bei einem universitären Studium oft theoretisch und abstrakt zugeht, hat noch einen anderen Grund: Ein hohes Abstraktionsniveau zu erlangen, ist zwar mühsam – aber es macht eben auch frei: Vom höheren Standpunkt aus sieht man klarer und versteht die Zusammenhänge viel besser, kann selbstbewusster Entscheidungen fällen und gewinnt tiefe Einsichten, die dann sogar zu einer echten Leidenschaft und Freude am Fach heranwachsen können.

Doch zurück zur ETH, die für Sie nun viele Stunden in der Woche die geistige und physische Umgebung darstellt. Sie ist gross und wirkt anfangs undurchschaubar. (Auch im ganz wörtlichen Sinne: Im Hauptgebäude kann man sich auch nach Monaten noch verlaufen!) Wer kann Orientierung bieten? Zunächst einmal die «älteren Semester», die ja schon alles durchgemacht haben und Erfahrungen gesammelt haben. Bei den Vertretern des VIS, dem Verein der Informatik‐Studierenden, finden Sie die Ansprechpersonen. Aber scheuen Sie sich auch nicht, die Professoren und Assistenten anzusprechen, insbesondere dann, wenn Sie fachlichen Rat benötigen. Zwar geht es am Anfang in den grösseren Vorlesungen eher unpersönlich zu, aber gerade deswegen freuen sich die Professoren (nun ja, die allermeisten jedenfalls), auch mit Einzelnen einmal zu sprechen – und seien es auch nur ein paar Minuten nach der Vorlesung oder in den Pausen.

Orientierung zum Fach und Anregung zugleich bieten auch gute Lehrbücher und Fachzeitschriften – und zwar aufgrund des strengen wissenschaftlichen Begutachtungsprozesses noch oft in wesentlich besserer Qualität als das, was man im Internet zu einem Fachthema findet. Die Informatik‐Bibliothek hält diese vor und lädt zum Stöbern ein. Nutzen Sie dieses reichhaltige Angebot, es kann Ihren Horizont über das hinaus, was Sie in den Vorlesungen hören, wesentlich erweitern und durch eine andere Perspektive auch manches verständlicher machen. An dieser Stelle nur ein einziger Tipp zu einem echten Klassiker unter den vielen Lehrbüchern: «The Art of Computer Programming» von Donald Knuth in (bislang) drei Bänden. Zwar ist die Darstellung manchmal ein bisschen exzentrisch (Donald Knuth, übrigens ein Ehrendoktor unseres Departements, ist es schliesslich auch), aber wie Knuth selbst sind die Bücher einfach genial! Zu den Fachzeitschriften ein ganz anderer Tipp: Das «Informatik‐Spektrum» erscheint etwa alle zwei Monate und enthält fachlich hochstehende, aber nicht allzu abgehobene und auf Deutsch geschriebene Artikel zu relevanten und aktuellen Themen der Informatik. (Mitglieder der Schweizer Informatik Gesellschaft oder der deutschen Gesellschaft für Informatik erhalten diese Zeitschrift übrigens umsonst.) Mit der Zeit erhält man damit einen guten Überblick zu praktisch allen wichtigen Themen. Das gilt in gleicher Weise auch für die sehr empfehlenswerte englischsprachige Zeitschrift «Communications of the ACM».

Womit wir wieder bei der Informatik wären. Warum ist diese so spannend? Einerseits natürlich deshalb, weil sich das zwischen den Ingenieur‐ und den Naturwissenschaften angesiedelte Fach zusammen mit seinen Anwendungen so rasant weiterentwickelt. Eine fast grenzenlose Verfügbarkeit von Information «immer und überall», Suchmaschinen, elektronische Bücher, eigene Videos «im Netz», soziale Netzwerke – alles das war vor nur 25 Jahren schliesslich noch Science‐Fiction. Andererseits aber, weil gerade etwas Einzigartiges geschieht: Die Informatik durchdringt, ähnlich wie früher die Mathematik, viele andere Wissenschaften und dringt nun sogar auch in die physische Welt, und damit in fast alle Lebensbereiche, ein. Internet und PC sind zwar schon jetzt allgegenwärtig, doch das alleine ist nicht entscheidend. Viel bedeutender ist, dass die Informatik in Form kleinster Prozessoren, ausgestattet mit komplexer Software, unsere physische Welt, und damit unseren Alltag auch jenseits von PC und Internet, immer weiter erobert – ein schleichender Prozess, den die Öffentlichkeit kaum explizit wahrnimmt, obschon er bereits vor einigen Jahren begonnen hat. Denn tatsächlich interagieren wir bereits heute, im Zeitalter von Mobiltelefonen, computergesteuerten Haushaltsgeräten und digitaler Unterhaltungselektronik, täglich unbewusst mit Hunderten von kleinen Computern, auf denen oft komplexe Informatik‐Systeme implementiert sind: Wann immer wir Auto fahren, Wäsche waschen, Kaffee kochen, Aufzüge verwenden, Musik hören oder telefonieren, nutzen wir dabei verborgene Computersysteme, die uns diese Tätigkeiten bequemer und sicherer erledigen lassen als früher. Der Fortschritt von Mikroelektronik und Informatik geht aber ungebremst weiter, so dass unsere Welt schon bald durchsetzt sein dürfte von praktisch unsichtbaren Computersystemen, die mit Sensoren ihre Umgebung laufend erfassen und die aktuelle Situation interpretieren, um dann miteinander zu kooperieren und mittels Aktoren steuernd in die Realität einzugreifen – um uns und die natürlichen Ressourcen zu schützen, und um unser Leben noch interessanter und anregender zu gestalten.

Was die ständig fortschreitende Informatisierung der «realen» Welt letztendlich wirklich bedeutet, das kann man heute noch kaum abschätzen. Die Wirkungen dürften auf lange Sicht aber gewaltig sein. Um diesen Prozess, der uns alle betrifft, gut zu meistern, dazu bedarf es vor allem breit, verantwortungsvoll und fachlich exzellent ausgebildete Informatik‐Experten. Mehr als 30 Professorinnen und Professoren aus über 10 Nationen stellen sich in unserem Departement dieser Aufgabe. Darüber hinaus werden Sie in Tutorien und Praktika auch viele engagierte Assistenten und Assistentinnen kennenlernen, und eher im Hintergrund halten viele Angestellte den ganzen Betrieb am Laufen. Und doch ist unser Departement nur ein Teil des Ganzen, jenseits der Informatik bietet die ETH auf hohem Niveau noch viel mehr. Auch wenn Sie durch Ihr Studium sehr gefordert werden – nutzen Sie, zumindest gelegentlich, das vielfältige ETH‐Angebot in Wissenschaft, Weiterbildung und Sport. Es lohnt sich!

Ich wünsche Ihnen zum Studienbeginn, aber vor allem auch für die nun folgenden Jahre an der ETH, viel Erfolg. Daneben auch viel Freude ausserhalb des Studiums in einer neuen Lebensphase, die von Herausforderungen geprägt und keineswegs immer einfach ist, die man weitgehend eigenständig meistern muss, in der man aber auch vielfältige Erfahrungen sammelt, neue Freunde kennenlernt und in der man die Weichen für sein späteres Leben stellt. Denn es gibt für Sie ja ein wirklich chancenreiches Leben nach dem Studium; und auf dieses, zumindest was den Beruf betrifft, wird die ETH Sie nun umfassend und nach dem neuesten Stand der Wissenschaft vorbereiten.

Fühlen Sie sich willkommen bei uns – ich freue mich darauf, viele von Ihnen im Laufe der Zeit persönlich kennenzulernen!

Prof. Friedemann Mattern
Vorsteher des Departements Informatik

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